Prof. Frederik Stjernfelt vom Zentrum für Semiotik an der Universität Aarhus in Dänemark gibt der Wochenzeitung Jungle World ein Interview über sein Buch (zusammen mit Jens-Martin Eriksen) „Die Politik der Segregation. Multikulturalismus – Ideologie oder Wirklichkeit“. In dem Gespräch mit Ivo Bozic antwortet er auch auf die Frage, welchen politischen Ansatz er vorziehen würde, den Islamismus zu kritisieren oder grundsätzlich für eine säkulare Gesellschaft zu kämpfen, die sich auf vernünftige Prinzipien gründet.
Ich glaube, der Säkularismus ist das wichtigste Ziel. Was aber nicht heißt, dass die ganze Gesellschaft streng rationalistisch werden soll. Denn der Säkularismus will ja nicht den Religionen alle Gläubigen abspenstig machen. Er ist viel bescheidener, er verlangt nur, dass keine Religion besondere politische Rechte beanspruchen darf. Und deshalb ist die Forderung nach besonderen religiösen und kulturellen Rechten einzelner Gruppen, die der Multikulturalismus erhebt, so beunruhigend. Man kann es nicht oft genug wiederholen, und auch die Gläubigen sollten es sich endlich klar machen: Nur der Säkularismus ist in der Lage, die Religionsfreiheit zu garantieren. Gerade die Abschaffung der politischen Sonderrechte, wie bestimmte Religionen sie bisher genossen haben, ermöglicht es den Angehörigen aller Religionen, gleichberechtigt am politischen Leben teilzunehmen.
In allen nicht säkularen Staaten kann man beobachten, wie die Mehrheitsreligion politische Privilegien erwirbt und die anderen Religionen zu unterdrücken beginnt. Denken Sie an die Kopten in Ägypten, an die Sunniten und die Bahai im Iran oder – um ein europäisches Beispiel aus der Zeit vor dem Säkularismus zu bemühen – an die Juden in den protestantischen Staaten Deutschlands und Skandinaviens im 18. Jahrhundert. Meistens wissen die Angehörigen von Minderheitsreligionen ganz genau, dass es der Säkularismus ist, der ihnen helfen würde, weil er ihnen das Recht zugesteht, ihren Glauben ungehindert auszuüben. Aber selbstverständlich hat die Religionsfreiheit ihren Preis. In säkularen Staaten darf keine Glaubensgemeinschaft ihre eigene Gerichtsbarkeit und ihre eigene Polizei oder Miliz unterhalten oder irgendwelche Regeln erlassen, die den staatlichen Gesetzen widersprechen.