Heiner Bielefeldt, UN-Sonderberichterstatter zum Recht auf Religionsfreiheit, begrüßt die hohe Aufmerksamkeit der jüngsten Zeit für verfolgte Kopten in Ägypten. „Gerade Ägypten gegenüber hat der Westen die Augen zu lange verschlossen, weil man das Land für einen Anker der Stabilität in der Region hielt“, sagte Bielefeldt gegenüber dem Berliner Tagesspiegel. Laut Bielefeldt, der an der Universität Nürnberg-Erlangen Menschenrechtspolitik lehrt und zuvor Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte war, litten die ägyptischen Kopten schon seit Jahrzehnten unter systematischer Diskriminierung. Dennoch möchte er nicht von einer neuen Christenverfolgung sprechen.
Mit dem Begriff Christenverfolgung wäre ich trotzdem eher zurückhaltend. […] Es geht um Verletzungen des universalen Menschenrechts auf Religionsfreiheit, von denen vielfach Christen betroffen sind, aber eben auch Angehörige anderer Minderheiten – wie etwa die Baha’i. Darüber hinaus werden auch innerislamische Minderheiten oder muslimische Dissidenten in Ägypten und anderen Ländern der Region unterdrückt. Und schließlich gibt es ja auch Menschen, die sich der Religion gegenüber generell distanziert verhalten. Auch deren Freiheit muss gewährleistet werden. Religionsdistanz oder gar Religionslosigkeit ist aber in Staaten wie Ägypten nicht vorgesehen.
Auch quantitative Schätzungen über die Anzahl verfolgter Christen hält er für schwierig.
Häufig liest man die Zahl von 100 Millionen oder mehr verfolgten Christen. Soweit ich das verstanden habe, werden dabei alle Christen, die als Minderheiten in solchen Staaten leben, die die Religionsfreiheit missachten, pauschal addiert. Sofern es sich dabei um muslimisch geprägte Staaten handelt, wird meines Wissens gleichzeitig vorausgesetzt, dass für Muslime keinerlei Probleme in Sachen Religionsfreiheit gegeben seien – eine, wie ich finde, unzulässige Annahme. Außerdem wäre es wichtig, bei der Analyse der Lage der verschiedenen Religionsgruppen interne Unterschiede angemessen zu berücksichtigen. […] In manchen Staaten des Nahen Ostens werden etwa protestantische Christen mit besonderem Misstrauen betrachtet, weil sie im Rufe stehen, aktive Mission zu betreiben – was oft staatlich nicht toleriert wird, obwohl die Religionsfreiheit auch das Recht auf aktive Glaubensverkündigung umfasst. Besonders schwierig ist vielerorts auch die Situation der Zeugen Jehovas, die zu den weltweit am stärksten verfolgten Gruppen gehören.