Straferhöhung gegen Bahá’í-Führung im Iran sorgt erneut für weltweiten Protest

Die zwanzigjährige Haftstrafe für die sieben Bahá’í-Führungsmitglieder im Iran wird von Regierungen und Menschenrechts-organisationen einhellig verurteilt. Unmittelbar nach Bekanntwerden rief die Nachricht weitreichende öffentliche Reaktionen hervor. Die Europäische Union, das Europäische Parlament, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen in Brasilien, Frankreich, Indien, England und den USA äußerten sich in Stellungnahmen besorgt. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, bezeichnete die Haftstrafe als „skandalös“.
Den sieben Bahá’í wurde im März von der Gefängnisleitung mündlich mitgeteilt, dass ihre zehnjährige Haftstrafe auf zwanzig Jahre erhöht wurde. Zuvor hatte im September 2010 ein Berufungsgericht drei Anklagepunkte fallen gelassen und die im August des Jahres ausgesprochene Strafe von zwanzig Jahren auf zehn Jahre reduziert. Medienberichten zufolge geschah die Inkraftsetzung der ursprünglich höheren Haftstrafe auf Betreiben des Teheraner Generalstaatsanwalts.
„Die Tatsache, dass diese Entscheidung im Geheimen getroffen wurde, zeigt wieder einmal, dass der Iran nicht bereit ist, Transparenz zuzulassen und grundlegende Verfassungsrechte zu respektieren“, sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, am 5. April in einer Stellungnahme.
Die Internationale Bahá’í-Gemeinde wies daraufhin, dass alle Proteststimmen „den iranischen Behörden eine klare Botschaft übermitteln“: „Ganz gleich, ob Sie diese Entscheidung trafen, während die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf das Drama in anderen Teilen des Nahen Ostens gerichtet ist, werden Sie nicht umhin können zu erkennen, dass die Welt Ihr Vorgehen gegen Ihr eigenes Volk eng beobachtet, darunter auch Ihr Vorgehen gegen die Bahá’í Ihres Landes. Sie können die systematischen Anfeindungen gegen unschuldige Bürger nicht verbergen.“
Diplomatische Unterstützung
In einer Stellungnahme schrieb die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Lady Catherine Ashton, sie sei “beunruhigt” über die neuesten Nachrichten über die Bahá’í-Führungsmitglieder. „Ich fordere die iranischen Behörden auf, die rechtliche Situation der sieben betroffenen Menschen zu überprüfen“, sagte sie. „Sie und ihre Anwälte sollten den unerlässlichen Zugang zu allen relevanten Unterlagen, die ihren Fall betreffen, erhalten.“ Die EU-Außenbeauftragte forderte überdies die sofortige Freilassung der Sieben und die Beendigung der Verfolgung der religiösen Minderheiten im Iran.
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, drückte ebenfalls seine „tiefe Sorge“ über die Entwicklungen aus. „Ich appeliere an die iranische Regierung, die unrechtmässige Inhaftierung dieser religiösen Führer zu überprüfen und für mehr Klarheit und rechtliche Erklärungen über ihren Fall in einer transparenten Weise zu sorgen“, so Buzek in einer Stellungnahme vom 4. April. „Die Religions- und Glaubensfreiheit ist ein grundlegendes Meschenrecht.“
Der Außenminister Großbritanniens, William Hague, schrieb, er sei über das Wiederinkraftsetzen der zwanzigjährigen Haftstrafe „tief bestürzt“. „Im August letzten Jahres machte ich deutlich, dass wir überzeugt sind, dass die Anführer das Recht haben sollten, ihren Glauben auszuüben”, sagte Hague am 4. April. „Ich stehe zu dem, was ich damals sagte, und fordere das iranische Justizsystem noch einmal auf, den Fall zu überprüfen und die Verfolgung des Bahá’í-Glaubens zu beenden. Die Berichte, wonach die Sieben in dem Gefängnis, in das sie verlegt wurden, von anderen Häftlingen und dem Gefängnispersonal physisch bedroht werden, machen mir ebenfalls Sorge.“ Hague fügte an: “Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die iranischen Behörden die legitimen Rechte ihrer Bürger missachten. Ich wiederhole, dass ich nicht glaube, dass es angemessene Gründe für die Inhaftierung der Anführer gibt und dränge die iranischen Behörden, während der Haft für ihre Sicherheit zu sorgen und ihnen ihre umfassenden Rechte gemäß iranischem Recht zu gewähren.“
In einer Stellungnahme verurteilte auch der französische Außenminister „die Gewalt, Diskriminierung und Drangsalierung der Bahá’í im Iran, welche sie davon abhält, ihre Religions- und Glaubensfreiheit auszuüben…“
Die USA bewerteten das Urteil als einen „unerhörten Schritt” und eine Verletzung der Verpflichtungen des Iran gemäß dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Bei einem Pressegespräch des Außenministeriums in Washington D.C. am 31. März sagte ein Sprecher, dass die USA „in tiefer Sorge” über Berichte des Wiederinkraftsetzens ihrer ursprünglichen Haftstrafe seien.
In Brasilien forderte der Parlamentsabgeordnete und ehemalige Vorsitzende der Menschenrechts- und Minderheitenkommission, Luiz Couto, während einer Plenardebatte den Nationalkongress, die brasilianische Bevölkerung und andere Länder dazu auf, ihre Unterstützung für die Bahá’í-Gemeinde zum Ausddruck zu bringen. “Die Anklagen, aufgrund derer die Bahá’í-Führung inhaftiert ist, sind vollkommen falsch und mit der Absicht erfunden, die inakzeptable, rein religiöse Verfolgung zu rechtfertigen“, sagte er am 4. April.
Seitdem bekannt wurde, dass die zwanzigjährige Haft wieder in Kraft gesetzt wurde, haben überdies in Indien weitere hochrangige Persönlichkeiten einen offenen Brief unterzeichnet, den bereits zuvor über 90 prominente Bürger aus ganz Indien unterstützt hatten. Führende Mitglieder des indischen Justizsystems, darunter auch ein ehemaliger Richter des Obersten Gerichtshofes, wie auch führende Persönlichkeiten aus dem Bildungsbereichs haben sich nun der Kampagne angeschlossen. „Als Bürger Indiens, eines Landes, welches sich zurecht der friedlichen Koexistenz und Toleranz rühmt, drücken wir den inhaftierten Bahá’í und ihren Familien unser tiefes Mitgefühl aus“, heißt es in der Stellungnahme.
“Tief verwurzelte Diskriminierung”
Amnesty International
bezeichnete diesen neuesten Schachzug des Iran als „rachsüchtig” und „unerhört“. „Wieder einmal manipulieren die iranischen Behörden ihr eigenes Rechtssystem, um Mitglieder einer religiösen Minderheit zu verfolgen”, sagte Malcolm Smart, Amnestys Geschäftsführer für den Nahen Osten und Nordafrika. „Statt ihr Haftmaß zu verdoppeln sollten die Behörden die Bahá’í-Führer sofort freilassen und ihnen die Freiheit gewähren, ihre Religion frei von Bedrohung oder Verfolgung auszuüben. “
“Solche willkürlichen und rachsüchtigen Handlungen sind eine lehrreiche Erinnerung daran, warum der UN-Menschenrechtsrat erst vor kurzem abstimmte, einen Sonderberichterstatter für den Iran einzurichten. Die Entscheidung des Rates kam keinen Augenblick zu früh“, so Smart. “Dies ist das aktuellste Beispiel für die tief verwurzelte Diskriminierung, der die Bahá’í-Minderheit im Iran ausgesetzt ist”, merkte er an und fügte hinzu, dass “es auch eine Mahnung an die internationale Gemeinschaft ist, wie wenig sich die iranische Obrigkeit an die Menschenrechtsstandards der Glaubensfreiheit, Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und das Recht auf einen fairen Prozess hält.“
Auch Stuart Windsor, Geschäftsführer von Christian Solidarity Worldwide, meinte: „Das Wiederinkrafttreten eines solch schwerwiegenden Strafmaßes ist einen weiterer Schlag gegen die Gruppe. Es ist klar, dass sowohl die Bahá’í, als auch bestimmte christliche Gemeinden ausschließlich aufgrund ihres Glaubens im Visier sind”, fügte er hinzu. “Die internationale Gemeinschaft muss auf den Iran Druck ausüben, alle Häftlinge, die ausschließlich aufgrund ihrer Religion inhaftiert sind, freizulassen“, sagte Windsor. „Die iranische Regierung muss auch gewährleisten, dass die Mitglieder einen rechtmäßigen Prozess erhalten und von allen Anklagen, die unter iranischer Rechtssprechung nicht zulässig sind, freigesprochen werden.“
Die sieben Bahá’í – Fariba Kamalabadi, Jamaloddin Khanjani, Afif Naeimi, Saeid Rezaie, Mahvash Sabet, Behrouz Tavakkoli und Vahid Tizfahm – waren Mitglieder einer nationalen ad-hoc Gruppe, die sich um die Belange der iranischen Bahá’í-Gemeinde kümmerte. Sie sind im Gohardasht Gefängnis etwa 50 Kilometer westlich von Teheran inhaftiert.

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