Bahai bleiben trotz Bürgerrechtscharta "Freiwild"

In der Printausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2. Januar schreibt Wolfgang G. Lerch unter dem Titel „Die Charta unterm Hidschab“ über die vom iranischen Präsidenten im Entwurf vorgelegte Bürgerrechtscharta, die bis Ende Dezember allen Iranern zur Kommentierung übers Internet offen lag.“Es gehe darum, in einen Diskurs mit der Zivilgesellschaft einzutreten und die Charta entsprechend zu überarbeiten, bevor sie offiziell publiziert werde“, schreibt Lerch. „Die Bürger hätten einen Monat Zeit, um ihre Kritik und ihre Anregungen vorzubringen. Das Interesse war zu Beginn groß, nun ist die Frist abgelaufen.“
Die Sache klang zunächst gut, doch hatte sie von vornherein einen Haken. Gleich zu Anfang des Textes wird erwähnt, die Charta habe keinerlei Einfluss auf schon bestehende Gesetze, Rechte und Verpflichtungen oder auch internationale Abkommen, die Iran einzuhalten verpflichtet sei. Dies sind klare Hinweise auf die Verfassung der Islamischen Republik, unter deren Vorbehalt wohl alles stehen mag, was diese Charta in naher Zukunft anzuregen imstande wäre. … Besonderen Grund zur Klage hat wieder einmal die Religionsgemeinschaft der Bahai. In dem Entwurf der Charta wird zwar bekräftigt, der Staat habe die Pflicht, die Rechte aller Religionsgemeinschaften zu achten und deren Ritus zu schützen; ebenso die „Unterschiede ethnischer, religiöser, sprachlicher und kultureller“ Art. Wieder einmal wird aber darauf verwiesen, dass dies nur für jene religiösen Minderheiten gelte, welche die Verfassung der Islamischen Republik Iran als „Buchreligionen“ bereits anerkennt – also nichtschiitische Muslime, Juden, Christen und die kleine Minderheit der Zarathustrier. Die Bahai sind abermals von jeglicher Anerkennung, Legalität und Schutz ausgenommen. Sie bleiben in gewisser Weise Freiwild.
So finde auch unter diesem Präsidenten die Geschichte der Diskriminierung und Unterdrückung der Bahai kein Ende. „Nicht nur verehrungswürdige Stätten und Friedhöfe dieser Religionsgemeinschaft, die sich im 19. Jahrhundert aus einer Erweckungsbewegung des schiitischen Islams heraus entwickelt hat, aber vom Islam als Ketzerei und Glaubensabfall (ridda) behandelt wird, werden immer wieder geschändet; auch das Studium an den Universitäten ist jungen Bahai im Grunde verwehrt“, schreibt Lerch. „Einen Nationalen Geistigen Rat haben die iranischen Bahai schon viele Jahre nicht mehr.“
Die deutsche Bahai-Gemeinde befürchtet, dass der „absichtsvolle Ausschluss der Bahai“ von den in der Charta angesprochenen Rechten berechtigte Zweifel aufwirft, dass „auch die Rechte aller anderen Gruppen unangreifbar sind. Die internationale Staatengemeinschaft muss sicherstellen, dass die Charta nicht von den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Irans ablenkt.“
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