Sonja Gillert schreibt in der „Welt“ über die iranischstämmige Schriftstellerin Bahiyyih Nakhjavani, die im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals im September Berlin besuchte, und spricht mit ihr über die Lage der Bahá’í im Iran, Heimatgefühle und den Einfluss ihres Glaubens auf ihre Arbeit.
Die Autorin ist im Iran geboren, wuchs in Uganda auf und lebt inzwischen in Frankreich. Mit ihrem ersten Roman „The Saddlebag. A Fable for Doubters and Seekers“ (Die Satteltasche, btb, 2001) schrieb sie einen internationalen Bestseller. Aktuell schreibt sie an einem Buch über die iranische Diaspora. Um ihre Glaubensbrüder, die im Iran leben, macht sie sich große Sorgen.
„Sie werden verfolgt, inhaftiert und in den Untergrund gezwungen – die etwa 300.000 Anhänger des Bahai-Glaubens im Iran leben unter extremem Druck. 120 Bahai sollen laut des UN-Sonderberichterstatters für Menschenrechte in iranischer Haft sitzen. Viele Anhänger des Glaubens verlassen das Land, denn auch unter der etwas moderater auftretenden Regierung von Präsident Hassan Ruhani hat sich ihre Lage bisher nicht verbessert. Die Schriftstellerin Bahiyyih Nakhjavani beobachtet die Situation der Bahá’í in ihrem Geburtsland mit großer Sorge“, schreibt Sonja Gillert von der „Welt“.
„Die etwa 300.000 Bahais im Iran leiden stark unter den dortigen Problemen. Ich habe dort einige sehr enge Freunde. Vor etwa drei Jahren wurden Gedichte einer Bahai aus dem Iran ins Ausland gebracht. Die Gedichte wurden immer weitergegeben und sind letztendlich bei mir gelandet. Ich war zutiefst ergriffen, als ich sie gelesen habe. Mit der Hilfe von Iranern, die Persisch besser beherrschen als ich, habe ich diese Gedichte ins Englische übersetzt. Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich daran mitarbeiten durfte“, sagt Bahiyyih Nakhjavani.
Ein ebenfalls sehr starker Antrieb zum Schreiben sei der Wunsch, „die Stimme derer zu sein, die selbst sprachlos sind“. Der Hoffnung, dass sich die Lage der Bahá’í im Iran in naher Zukunft spürbar verbessern wird, steht sie skeptisch gegenüber.
„Die Bahai haben schon 160 Jahre voller Missverständnisse und falscher Wahrnehmung ihres Glaubens hinter sich. Deswegen wird es Generationen brauchen, bevor viele Iraner anders darüber denken werden, wer die Bahais sind. Die Perser im Iran stehen zurzeit extrem unter Druck. Sie bekommen keine Informationen, nicht einmal über ihr eigenes Land. Sie kennen die Fakten nicht. Ich glaube, dass große Teile der Bevölkerung, vor allem die jungen Menschen, ernsthaft nachfragen. Sie haben Zugang zum Internet und versuchen, dort Antworten zu finden. Aber wie soll der Großteil der Bevölkerung, der in Dörfern und der Provinz lebt, zuverlässige Informationen bekommen, wenn keine Informationsfreiheit gilt?“, fragt sich die Autorin.
Das vollständige Interview erschien in der „Welt“ vom 29. Oktober 2014.