Tabubruch im Iran – Politsturm nach Treffen mit Baha‘i wirft neues Licht auf Religionsfreiheit

Ein Sturm wütender Verleumdungen, in Reaktion auf ein Treffen zweier befreundeter Menschen in einer Privatwohnung, hat die Doppelzüngigkeit der iranischen Behörden und führenden Persönlichkeiten des Landes mehr als deutlich zu Tage gebracht. Während der Iran immer wieder behauptet, dass die Behandlung der Baha’i nicht durch religiöse Vorurteile motiviert sei, wirft die derzeitige Debatte im Iran über den Besuch von Faezeh Hashemi, Tochter des früheren Präsidenten, Akbar Hashemi Rafsandschani, bei einem Mitglied der Baha’i ein neues Licht auf die Islamische Republik und ihren Umgang mit religiösen Minderheiten. 
Frau Hashemi, früheres Mitglied des iranischen Parlaments, hatte ihre Freundin Fariba Kamalabadi zuhause besucht. Kamalabadi ist eines der sieben Mitglieder des ehemaligen Baha‘i-Leitungsgremiums, das seit 2008 im berüchtigten Evin-Gefängnis in Haft sitzt. Das Treffen zwischen den beiden Frauen ereignete sich während eines fünftägigen Hafturlaubs Mitte Mai, als Frau Kamalabadi  nach acht Jahren erstmals das Gefängnis verlassen durfte, um anschließend den Rest ihrer insgesamt zehnjährigen Haft anzutreten. Kamalabadi und Hashemi, selbst im Jahr 2012 für sechs Monate wegen „Verbreitung von Propaganda gegen das herrschende System“ inhaftiert, waren Zellengenossinnen und hatten sich angefreundet.

„Auf erschütternde Weise und vor der Weltöffentlichkeit wurde in den letzten Tagen erneut die Widersprüchlichkeit des iranischen Systems gegenüber den Baha‘i offen gelegt“, erklärt Prof. Ingo Hofmann, Sprecher der Baha‘i –Gemeinde in Deutschland. „Während der Iran immer wieder behauptet, die Behandlung der Baha‘i sei nicht religiös motiviert, wird hier auf breiter Front das Gegenteil bestätigt. Dies ausgerechnet um den 8. Jahrestag der Inhaftierung der sieben Baha‘i am 14. Mai und zu dem Zeitpunkt, als die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Bärbel Kofler, erklärte ‚Ich fordere die iranische Justiz auf, die unrechtmäßigen Urteile sofort aufzuheben und die Bahá’i sowie alle anderen aufgrund ihrer religiösen Gesinnung Inhaftierten unverzüglich freizulassen‘, so Hofmann. „Damit führt der Iran selbst seine beschwichtigende Rhetorik vor den internationalen Menschenrechtsgremien, wonach allen Bürgern des Landes Religionsfreiheit gewährt würde, ad absurdum.“

Annähernd fünfzig hochrangiger Kleriker und politische Figuren waren sofort bei der Hand, Frau Hashemi nach dem Treffen öffentlich zu denunzieren. Groß-Ayatollah Makarem-Shirazi verlangte eine Anklage gegen sie, weil sie eine Baha’i getroffen hatte. Weitere Ayatollahs beschrieben Umgang und freundschaftliche Beziehungen mit Baha’i als Verrat am Islam und an der Revolution und forderten die Isolation der Baha’i. Der Leiter der Justiz, Ayatollah Amoli-Larijani, und sein erster Stellvertreter bestätigten die Erwägung, Frau Hashemi anzuklagen. Dies sei von zahlreichen Klerikern gefordert worden als eine Lektion an den Rest der iranischen Gesellschaft.
Ungeachtet dessen haben sich auch zahlreiche Stimmen von Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Bürgern erhoben, die das Recht der Baha’i auf ein Leben wie alle anderen Bürger verteidigen. Es bleibt die Hoffnung, dass diese Stimmen anwachsen und sich noch mehr Gehör verschaffen.
 
Weitere Informationen zum Fall der Yaran, des ehemaligen inoffiziellen Führungsgremiums der Bahá’í im Iran.

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