Heute hat Saeid Rezaie nach Beendigung seiner zehnjährigen Haftstrafe das Gefängnis verlassen. Der inzwischen 60-jährige Vater und Ingenieur war allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í zunächst zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. 2015 wurde das Strafmaß auf zehn Jahre herabgesetzt.
Razaie war Mitglied des ehemaligen informellen Leitungsgremiums der Bahá’í im Iran, auch als Yaran (dt. „Freunde“) bekannt, welches sich um die notwendigsten Belange der über 350.000 Mitglieder zählenden Gemeinde kümmerte.
Saeid Rezaie und fünf weitere Mitglieder des Gremiums wurden im Mai 2008 in einer Razzia am frühen Morgen in ihren Häusern festgenommen. Ein weiteres Mitglied, Mahvash Sabet, war schon zwei Monate früher festgenommen worden.
Die Bahá’í-Gemeinde in Deutschland empfindet große Erleichterung über die Freilassung von Saeid Rezaie. Ihr Sprecher, Prof. Ingo Hofmann, sieht darin aber „alles andere als ein Anzeichen der Minderung der Verfolgung der Bahá’í im Iran.“
„Obwohl Herr Rezaie und drei weitere Mitglieder der Yaran freigelassen wurden, geht die Verfolgung der Bahá’í unvermindert weiter. Nach jeweils zehn Jahren, kehren die Yaran in eine Gesellschaft zurück, in der die Bahá’í-Gemeinde unter dem enormen Druck der Regierung steht. So findet die Entlassung von Herrn Rezaie vor dem Hintergrund einer zunehmenden staatlich inszenierten Diskriminierung der Bahá’í statt, die in Hasspredigten und Hetzartikeln staatlicher Medien allgegenwärtig ist“, beklagt Hofmann.
Vor seiner Inhaftierung leitete der Ingenieur für Agrarwissenschaft eine Firma für Landwirtschaftsmaschinen in der Provinz Fars, die sich seit ihrer Gründung 1985 erfolgreich entwickelt hatte. Ob er in seinen Beruf zurückkehren kann, scheint aufgrund der gezielten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ausgrenzung der Bahá’í seitens der iranischen Regierung, unwahrscheinlich.
Der Versuch, das wirtschaftliche Leben der Bahá’í zu zerstören, gehört schon seit der Islamischen Revolution 1979 zu den Facetten staatlicher Verfolgung, als die Regierung begann, alle im öffentlichen Dienst beschäftigten Bahá’í zu entlassen. Anschließend ging sie dazu über, den Bahá’í im Bereich der Privatwirtschaft die Geschäftslizenzen abzuerkennen. Auf diese Weise verloren Tausende Bahá’í über die letzten dreißig Jahre ihre Arbeit und damit die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
„Die deutsche Baha’i-Gemeinde, zu der auch hier lebende Familienangehörige gehören, und zahlreiche ihrer Freunde und Unterstützer sehen dem Tag der vollständigen Entlassung aller sieben Yaran gebannt entgegen. Zugleich geben wir die Hoffnung nicht auf, dass die Regierung des Iran ihr Versprechen einlösen wird, allen Iranern gleichermaßen Gerechtigkeit zu gewähren“, so der Sprecher der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland, Ingo Hofmann.
Nachdem Mahvash Sabet, Fariba Kamalabadi und Behrooz Tavakkoli aus der Haft entlassen wurden, ist mit Saeid Rezaie nun das vierte Mitglied der Yaran nach knapp einem Jahrzehnt unschuldiger Inhaftierung frei. Die Entlassung der drei noch in der Haft verbliebenen Mitglieder der ehemaligen Yaran soll in den nächsten Monaten erfolgen. Es sind Herr Jamalodin Khanjani (84), Herr Afif Naeimi (56) und Herr Vahid Tizfahm (44).
Derzeit sitzen aktuell über 90 Bahá’í ausschließlich aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen in iranischen Gefängnissen.