Berlin, 21. Dezember 2018 – Zehn Jahre unschuldig in Haft – am 20. Dezember hat Afif Naeimi als letztes Mitglied der Yaran das Gefängnis verlassen. Der inzwischen 56-jährige Vater und Unternehmer war allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Bahá’í zunächst zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. 2015 wurde das Strafmaß auf zehn Jahre herabgesetzt.
Naeimi war Mitglied des ehemaligen informellen Leitungsgremiums der Bahá’í im Iran, auch als Yaran (dt. „Freunde“) bekannt, welches sich um die notwendigsten Belange der über 350.000 Mitglieder zählenden Gemeinde kümmerte.
Während seiner Inhaftierung hatte Herr Naeimi schwere gesundheitliche Probleme und wurde oft unzureichend behandelt. Die Behörden entschieden zudem, dass ein stationärer Krankenhausaufenthalt nicht als Teil seiner Strafe gerechnet wurde und sein ursprünglicher Freilassungstermin somit nach hinten verschoben wurde.
Seinen Lebenstraum, Arzt zu werden, musste er aufgeben, da ihm als Bahá’í die Hochschulausbildung verwehrt wurde. Stattdessen wandte er sich einer selbständigen Tätigkeit zu, was eine der wenigen Beschäftigungen ist, die den Bahá’í offen steht, und übernahm die Textil- und Teppichfabrik seines Schwiegervaters.
Die Bahá’í repräsentieren die größte religiöse Minderheit des Landes, der es jedoch seit 1983 verboten ist, sich in demokratisch gewählten Gremien zu konstituieren. Seitdem hatte ein informelles Gremium ein Teil der Aufgaben übernommen, ehe auch dieses im Zuge der Verhaftungen aufgelöst werden musste. Sechs der sieben Mitglieder dieses Leitungsgremiums wurden im Mai 2008 in einer Razzia am frühen Morgen in ihren Häusern festgenommen. Ein weiteres Mitglied war schon zwei Monate früher festgenommen worden.
Die Bahá’í-Gemeinde in Deutschland empfindet große Erleichterung über die Freilassung von Afif Naeimi. Ihr Sprecher, Prof. Ingo Hofmann, sieht darin aber „alles andere als ein Anzeichen der Minderung der Verfolgung der Bahá’í im Iran.“
„Obwohl mit Afif Naeimi endlich alle Mitglieder der Yaran freigelassen wurden, geht die Verfolgung der Bahá’í unvermindert weiter. Nach jeweils zehn Jahren, kehren die sieben Yaran in eine Gesellschaft zurück, in der die Bahá’í-Gemeinde unter dem enormen Druck der Regierung steht. So findet die Entlassung von Herrn Naeimi vor dem Hintergrund einer zunehmenden staatlich inszenierten Diskriminierung der Bahá’í statt, die in Hasspredigten und Hetzartikeln staatlicher Medien allgegenwärtig ist. Wir geben die Hoffnung jedoch nicht auf, dass die iranische Regierung ihr Versprechen einlösen wird, allen Iranern gleichermaßen Gerechtigkeit zu gewähren. Zuversichtlich stimmt uns auch, dass immer mehr Iraner und Iranerinnen innerhalb und außerhalb des Irans die Verfolgung der Bahá’í anprangern“, so Ingo Hofmann.
In den vergangenen Monaten wurde Irans allgegenwärtige und systematische Verfolgung der Bahá‘í-Gemeinde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen, dem Europäischen Parlament, dem US-Repräsentantenhaus der sowie australischen und schwedischen Parlamentariern scharf verurteilt. Derzeit sitzen aktuell über 90 Bahá’í ausschließlich aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen in iranischen Gefängnissen.