Twitter sperrt Konten einiger Iranischer Staatsmedien wegen „koordinierter und gezielter Belästigung" von Bahá'í

Berlin, 22. Juli 2019 – Der Kurzbotschaftendienst Twitter hat die Konten mehrerer iranischer Staatsmedien gesperrt. Der US-Konzern teilte am Samstag mit, er habe die Sperrung wegen verbaler Angriffe auf die religiöse Minderheit der Bahá’í veranlasst. Ein Twitter-Vertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Sperrungen seien eine Reaktion auf „koordinierte und gezielte Belästigungen“ von Bahá’í durch diese iranischen Staatsmedien.

Die als Sprachrohr der moderateren Konservativen im Iran geltende Nachrichtenagentur „Mehr“ teilte mit, ihr Twitter-Kanal sei nach der Berichterstattung über die iranische Beschlagnahme des britischen Tankers am Freitagabend gesperrt worden. Auch die Konten der staatlichen Nachrichtenagentur Irna, der Agentur des iranischen Clubs junger Journalisten sowie des politischen Kommentators und Hardliners Ali Akbar Raefipoor waren am Samstag nicht erreichbar.

Twitter ist – wie Facebook – im Iran verboten. Dennoch nutzen viele offizielle Vertreter des Landes den Kurzbotschaftendienst. Auch viele Privatpersonen im Iran umgehen über ein virtuelles privates Kommunikationsnetz (VPN) die Zensur und haben Zugang zu Twitter.
Die Sperrung  der Konten stellt eine folgerichtige Reaktion der zunehmenden Hassanstiftungen durch iranische Staatsmedien in den vergangenen Jahren dar, die häufig in straffrei bleibenden Gewalttaten münden. Die mit mindestens 300.000 Anhängern größte nicht-islamische religiöse Minderheit der Bahá’í ist diesen verbalen Angriffen im Iran schutzlos ausgeliefert, da die Iranische Verfassung sie nicht als anerkannte Religionsgemeinschaft auflistet und die staatlichen Behörden sie systematisch verfolgen.

Hintergrund:
Die mit mehreren Millionen Anhängern weltweit verbreitete Religion der Bahá’í ist eine unabhängige, monotheistische Weltreligion. In ihrem Ursprungsland Iran bilden die Bahá’í die größte nicht-islamische religiöse Minderheit mit mehr als 300.000 Anhängern. Die Verfolgungsgeschichte der Bahá’í in Iran beginnt bereits mit den Anfängen ihrer Religion im Jahr 1844. Seit der Islamischen Revolution 1979 werden Bahá’í systematisch verfolgt. Der Iranische Staat formulierte 1991 gar eine eigene Staatsdoktrin mit dem Ziel, die Bahá’í als lebensfähige Gemeinschaft in Iran und im Ausland auszuschalten.

Die Bahá’í im Iran sehen sich einer beständigen Flut von Artikeln und Videos in den Medien ausgesetzt, in denen sie durch falsche Anklagen, hetzerische Wortwahl und geschmacklose Bildsprache dämonisiert und verleumdet werden. Insgesamt wurden seit Januar 2014 in staatlich kontrollierten (oder unterstützten) sowie klerikalen (und damit ebenfalls staatlich genehmigten) Medien 26.000 Fälle von Anti-Bahá’í-Propaganda gezählt.

Hasssendungen gegen die Bahá‘í, in denen häufig einflußreiche Persönlichkeiten, wie Kleriker, Redakteure und Regierungsbeamte zu Wort kommen, werden regelmäßig von Nachrichtenagenturen veröffentlicht, die dem Staat zumindest nahe stehen, darunter Aftab News, Basij News, Fars News, Fergie News, Hawzah News, Iranian Quran News Agency, QudsOnline, Rasa News und Shabestan News.

In einer umfangreichen Medienkampagne, die außerhalb des Iran praktisch unbemerkt bleibt, wird systematisch Hass und Diskriminierung gegen die Bahá’í in Iran geschürt. Unter großem Aufwand werden sie in der Öffentlichkeit dämonisiert und verleumdet. In einem am 21. Oktober 2011 veröffentlichten Bericht („Inciting Hatred: Iran’s media campaign to demonize Baha’is“) benennt und analysiert die Internationale Bahá’í-Gemeinde mehr als 400 Presse- und Beiträge gegen die Bahá’í in den iranischen Medien. Sie geben einen Einblick in die perfide, staatlich geförderte Hetzkampagne, mit der die Bahá’í durch falsche Anklagen, aufhetzerische Wortwahl und geschmacklose Bildsprache dämonisiert und verleumdet werden. Der Bericht gibt Beiträge aus einem Zeitraum von 16 Monaten wieder. Die Propaganda gegen die Bahá’í stammt und ist abgesegnet von der Staatsleitung der Islamischen Republik, einschließlich des Obersten religiösen Führers, Ayatollah Ali Khamenei. Am 26. März 2018 veröffentlichte der Oberste Führer Ali Khamenei auf seiner Webseite eine Fatwa über „Association and dealing with Bahá’ís“ mit der Aussage: „You should avoid any association and dealings with this perverse and misguided sect.“

Die Kampagne verstößt gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Iran aus dem UN-Zivilpakt. Vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wird das das Schüren von Hass und Vorurteilen gegen religiöse Minderheiten, wie den Bahá’í, dezidiert verurteilt und geächtet, zuletzt in einer richtungsweisenden Resolution im November 2018.

Im Gegensatz zu Artikel 5 des Iranischen Pressegesetzes wird den Bahá’í kategorisch verwehrt, in iranischen Medien eine Richtigstellung von Desinformationen über ihren Glauben zu erwirken.  

Kontakt:
Jascha Noltenius, Referent für Menschenrechtsfragen:
E-Mail: jascha.noltenius@bahai.de
Tel.: 030/ 28 87 71 83
Mobil: 0157/ 511 91 351

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