Berlin, 18. Dezember 2020 – Eine Resolution der Vereinten Nationen, die die Islamische Republik Iran auffordert, die Rechte ihrer Bürger zu achten – und die sich auf die Rechtsverletzungen bezieht, denen die iranischen Bahá’í ausgesetzt sind – wurde am 16. Dezember von der Generalversammlung in New York verabschiedet. Die Resolution wurde von 45 Mitgliedsstaaten aller Regionen mitgetragen – so auch von der Bundesrepublik Deutschland -, wobei 82 Mitgliedsstaaten für die Resolution stimmten. Sie reiht sich ein in eine weltweite Welle erneuter Unterstützung für die iranische Bahá’í-Gemeinde durch Regierungen, Abgeordnete und die Zivilgesellschaft in Deutschland, Europa, den Vereinigten Staaten und Kanada.
Während der Vorstellung des 14. Berichts der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik am 9. Dezember, betonte Neda Soltani, Referentin für das gefährdete Forschende an der Humbolt-Universität zu Berlin:
„Im Iran haben religiöse Minderheiten wie die Bahá‘í kein Recht auf universitäre Bildung. Damit verstößt der Iran gegen seine völkerrechtliche Pflicht nach Artikel 13 des UN-Sozialpakts, jeder Bürgerin und jedem Bürger Hochschulbildung entsprechend seiner oder ihrer Fähigkeiten zugänglich zu machen. Seit über 40 Jahren versucht die iranische Regierung, die Bahá’í durch willkürliche Inhaftierungen, Hasspropaganda in den iranischen Medien, wirtschaftliche Unterdrückung, aber auch durch die Verweigerung von Hochschulbildung, aus der Gesellschaft auszuschließen.“
Der Sprecher für Forschung, Wissenschaft und Hochschule der Grünen-Fraktion und Mitglied im Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages, Kai Gehring, richtete am 16. Dezember diesbezüglich folgende schriftliche Frage an die Bundesregierung:
„Inwiefern thematisiert die Bundesregierung die Verfolgung der Bahá’í im Iran und insbesondere die Verweigerung des Rechtes auf Bildung durch den Ausschluss vom Hochschulstudium (wie auch im Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit verdeutlicht) gegenüber der iranischen Regierung und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung zum Schutz der religiösen Minderheit?“
Auch bei einem digitalen Symposium der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) wurde die Verfolgung der Bahá’í als ein dramatisches Beispiel der Menschenrechtsverletzungen im Iran beleuchtet. Jascha Noltenius, Beauftragter für Menschenrechtsfragen der Bahá‘í-Gemeinde in Deutschland, berichtete über die Verweigerung der Hochschulbildung, wirtschaftliche Unterdrückung, zunehmende Haftstrafen und Inhaftierungen sowie eine neue Welle von Beschlagnahmungen persönlicher Wertgegenstände im gesamten Land bei Hausdurchsuchungen und von Grundstücksenteignungen im Dorf Ivel.
Ein Mitglied des Europäischen Parlaments sowie Mitglieder der Parlamente in Irland, Norwegen und Vereinigten Königreich Großbritannien sprachen die Verfolgung der Bahá’í in ihren jeweiligen Abgeordnetenhäusern an. Und in Schweden führte im Oktober eine Anfrage des Abgeordneten Anders Österberg zu einem Treffen zwischen der schwedischen Außenministerin Ann Linde und Vertretern der schwedischen Bahá’í-Gemeinde, um die Situation der Bahá’í im Iran zu diskutieren.
Der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika verabschiedete am 7. Dezember eine überparteiliche Resolution, die die Verfolgung der Bahá’í-Gemeinde durch die iranische Regierung verurteilt und die Behörden auffordert, die Rechte aller iranischen Bürger zu wahren. Die Resolution des Kongresses zitierte den Bericht des UN-Sonderberichterstatters zur Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran im Jahr 2019, den eigenen Bericht zur internationalen Religionsfreiheit 2019 sowie den jüngsten Anstieg der Hasspropaganda um 50 Prozent. Sie fordert die iranische Regierung auf, inhaftierte Bahá’í freizulassen, staatlich geförderte Propagandakampagnen zu beenden und Maßnahmen rückgängig zu machen, die den Bahá’í Chancengleichheit in der Bildung und in anderen Bereichen sowie die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verwehren.
Die kanadische Senatorin Mobina Jaffer sagte während einer Sitzung des Senats am 9. Dezember, dass die „Verfolgung der Bahá’í zugenommen hat“ und dass die iranische Regierung weiterhin Bahá’í aufgrund von „unbegründeten Anschuldigungen“ inhaftiert, obgleich sich die Coronavirus-Pandemie in den Gefängnissen des Landes ausbreitet. Senator Marc Gold, der Regierungsvertreter in der Abgeordnetenkammer, dankte Senator Jaffer dafür, dass sie ein Licht auf die „beunruhigende“ Situation der iranischen Bahá’í geworfen hat.
Außerdem veröffentlichte die Menschenrechtsgruppe Article 19 am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, eine Erklärung, in der sie das iranische Parlament aufforderte, einen Gesetzesentwurf zu verwerfen, der „die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Religions- und Glaubensfreiheit“ für religiöse Minderheiten, „einschließlich der Bahá’í“, weiter aushöhlen würde. Article 19 sagte, dass die vorgeschlagenen Änderungen des iranischen Strafgesetzbuches den Sicherheitsbehörden erlauben würden, grundlegende Rechte und Freiheiten zu „kriminalisieren“.
Hintergrund
- Die Bahá’í sind die größte nicht-muslimische religiöse Minderheit im Iran und werden seit der Islamischen Revolution von 1979 systematisch von der Regierung verfolgt.
- In den Jahren nach der Islamischen Revolution wurden mehr als 200 Bahá’í hingerichtet.
- In einem 1991 vom Obersten Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, unterzeichneten Regierungsdokument wurde gefordert, den Fortschritt und die Entwicklung der iranischen Bahá’í-Gemeinde zu „blockieren“ und den Bahá’í Bildung und Lebensunterhalt zu verweigern. Jedes Jahr werden Tausende von Propagandaartikeln gegen die Bahá’í in den iranischen Staatsmedien veröffentlicht.
- Seit der islamischen Revolution wurden Hunderte von Privatgrundstücken der Bahá’í, auf denen sich Eigenheime, Kleinbetriebe und Bauernhöfe befanden, beschlagnahmt.
Englisch-sprachiger Originalbericht der Baha’i International Community
Persisch-sprachige Übersetzung
Einen Bericht zur aktuellen Lage der Verfolgung der Bahá’í im Iran finden Sie hier.