Neue Podcastfolge zur Verfolgung der Bahá’í im Iran mit der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im Bundestag erschienen

Berlin, 3. April 2023 – Am vergangenen Donnerstag, den 30. März 2023 luden die Menschenrechtsaktivistinnen Daniela Sepehri und Maryam Claren sowohl die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Renata Alt, als auch den Menschenrechtsbeauftragten der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland, Jascha Noltenius in ihren Live-Podcast „Politische Gefangene in Iran“ ein. Sie sprachen in einem Instagram Live Video über die seit acht Monaten massiv zunehmende Verfolgung der Bahá’í-Gemeinde in Iran.

Die Ausschussvorsitzende Renata Alt übernahm Anfang des Jahres eine politische Patenschaft für den Bahá’í Payam Vali, der im September 2022 verhaftet und Ende Februar zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde. Sie beschreibt die Lage so: „Er gehört der Bahá’í-Religion an. Diese Religion wird im Iran nicht offiziell anerkannt. Das Ziel ist eigentlich diese Religion und die Existenz dieser Menschen zu zerstören, oder sie wie Analphabeten auf dem minimalen Existenzniveau überhaupt leben zu lassen. Herr Vali war Hersteller von Brillengläsern und bereits 2008 wurde sein Geschäft von den Sicherheitsbehörden geschlossen und versiegelt, obwohl er für sein Geschäft eine Lizenz des Arbeitsministeriums besaß. (…) Wenn die Bahá’í an ihren religiösen Feiertagen ihre Geschäfte schließen, werden diese von den Behörden regelmäßig versiegelt. Allein aus religiösen Gründen wurde Herrn Vali seine Existenzgrundlage entzogen und die iranische Justiz verweigert ihm seit Jahren die Wiedereröffnung seines Geschäftes. Das sind Zustände, da darf man nicht zuschauen. (…) Es wird ihm sogar der Zugang zum Anwalt verweigert. Deswegen verweigerte er sich, an seinem Prozess teilzunehmen. Das war sehr mutig. Die Justizbehörden haben seine Freilassung davon abhängig gemacht, dass er ein falsches Video-Geständnis ablegt. Auch das hat er verweigert. Also er ist ein sehr mutiger Mann, weswegen ich die Patenschaft für ihn übernehmen wollte. Ich habe mich im Januar an den iranischen Botschafter gewandt. Weil ihm nach Art. 35 der Verfassung ein Anwalt zusteht, habe ich gefordert, dass er den auch bekommt. Dann habe ich gefordert, dass er Familienbesuch bekommen kann. Selbstverständlich habe ich keine Antwort bekommen. Herr Vali wurde zu insgesamt 16 Jahre Gefängnis, zwei Jahren im Exil und zwei Jahren Ausreisverbot verurteilt. Das kann man nicht so hinnehmen und deshalb trete ich für seine Freilassung ein.“

Auf Daniela Sepehris Frage zu den Verfolgungsgründen, führte Jascha Noltenius aus: „Die Bahá’í-Gemeinschaft ist eine Religionsgemeinschaft, die im Iran Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist, das heißt eine nachislamische Religionsgemeinschaft ist. Der Bahá’í-Glaube wird von der Verfassung der Islamischen Republik Iran nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. Es ist eine Religionsgemeinschaft, die im Iran zahlenmäßig sehr groß ist und wächst, sodass das Regime fürchtet an Einfluss zu verlieren. Dann gibt es einige Glaubensinhalte, die diesem System im Iran diametral entgegenstehen. Beispielsweise ist ein Glaubenssatz, dass Frauen und Männer vollständig gleichgestellt werden sollen. Oder die Bahá’í glauben, dass es keine Kleriker mehr braucht, also keine Geistlichen, die den Menschen sagen, wie sie ihre religiösen Gebote zu verstehen und auszuleben haben. Das heißt, es gibt einige Glaubenssätze, bei denen das Iranische Regime fürchtet, dass sie an Einfluss verlieren würden, wenn sich die Lehren der Bahá’í durchsetzen würden.“

Frau Sepehri ergänzt dazu: „Das ist ja auch strukturell. Die ganze Bildungsdebatte, dass Bahá’í nicht an Universitäten gehen können und sich dann eine Untergrunduniversität gegründet hat. Es gibt immer wieder große Verhaftungswellen. Zwei sehr bekannte Gesichter, die verhaftet wurden, sitzen jetzt im Evin-Gefängnis: Mahvash Sabet und Fariba Kamalabadi. Maryam, du kannst viel erzählen, weil sie ja jetzt bei deiner Mutter sind. Die Geschichte muss man sich einmal vorstellen: 10 Jahre verteilt, 10 Jahre abgesessen, keine vier Jahre auf freiem Fuß und dann schon wieder verurteilt.“

Dies führte Maryam Claren, die Tochter der bereits seit Oktober 2020 im Evin-Gefängnis inhaftierten Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi näher aus: „Meines Erachtens sind die Fälle von Mahvash und Fariba mit die tragischsten im Evin-Gefängnis, denn Mahvash ist schon über 70 und Fariba an die 70. Sie wurden wegen ihres Glaubens im vergangenen Juli verhaftet, haben sehr lange in Isolationshaft verbracht, wurden dann zu zehn Jahren verurteilt und sind jetzt im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses. Bis hierhin klingt die Geschichte ähnlich wie die meiner Mutter oder der Umweltschützerin Niloofar Bayani. Was mich bei beiden fertig macht, ist dass sie bereits zehn Jahre im Evin-Gefängnis verbracht haben. Sie sind damals zu 20 Jahren verurteilt worden. Das wurde dann reduziert zu zehn Jahren. Meine Mutter hat mir erzählt, beide hatten während der zehnjährigen Haft auch nur einmal kurz vor Ende einen fünftägigen Hafturlaub. Was ich an den beiden extrem beeindruckend finde, und das hat mir meine Mutter auch bestätigt, ist deren Spirit und deren Stärke. Sie jammern nicht, sie sind unfassbar stark. Ich hatte selber die Möglichkeit mit beiden vor zwei Wochen kurz zu telefonieren, weil sie zufällig neben meiner Mutter standen und den Hörer genommen haben. Das war so beeindruckend. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Ich wollte so viel sagen, wie leid es mir tut, dass ihr wieder zehn Jahre dort drinnen seid. Aber sie haben mir gar keinen Raum dafür gelassen, weil sie so stark und positiv waren. Ich kann nur die Worte meiner Mutter wiedergeben, die sagt, das sind die bereicherndsten Menschen da. Mahvash ist Dichterin. Sie kochen für den gesamten Trakt, für 30 Personen. Sie haben ihre Kinder teilweise nicht aufwachsen sehen und jetzt sehen sie Enkelkinder nicht. Eine der Enkeltöchter hat zuletzt ein Foto von Fariba gemalt gehabt und der Sohn hatte es auf Twitter gestellt, dass er seine Oma immer nur vom Besucherraum des Evin-Gefängnisses sehen kann. Die beiden Fälle sind sehr bezeichnend für die Unterdrückung der Bahá’í-Religion im Iran.“

Diese Fälle ordnete Jascha Noltenius nachfolgend ein: „Warum diese beiden Frauen so besonders von dem Regime in den Blick genommen werden: Sie sind Mitglieder eines inoffiziellen Leitungsgremiums der Bahá’i-Gemeinde gewesen. Denn man muss sich vorstellen, dass sich die Bahá’í seit der Islamischen Revolution nicht mehr selbstverwalten dürfen. Mitglieder des Nationalen Rates wurden hingerichtet. Dann gab es keinen Nationalen Rat mehr, sondern nur noch ein inoffizielles Gremium, die Yaran (zu deutsch: die Freunde), die zumindest die grundlegenden seelsorgerischen Belange der Bahá’í-Gemeinde im Iran geregelt hat. Nur durch internationalen Druck wurde das damalige Urteil gegen Mahvash Sabet und Fariba Kamalabadi von 20 Jahren auf zehn Jahre reduziert. Mahvash Sabet, die sich auch wegen ihrer 70 Jahre in besonders schlechter Verfassung befindet, war 42 Tage im Evin-Gefängnis in Isolationshaft, wurde fast rund um die Uhr verhört, musste auf einem kalten Betonboden schlafen. Sie wurde dann zusammen mit anderen Frauen in eine Einzelzelle verlegt, das heißt, dass sie auch da keine Möglichkeit hatte, mal zur Ruhe zu kommen oder zu schlafen. Allein das ist ein psychischer und mentaler Druck, den man sich kaum vorstellen kann. Sie leidet aufgrund der vorherigen Inhaftierungen an Osteoporosen, schwerem Asthma, Gelenkschmerzen, die durch sollte Haftbedingungen auch immer schlimmer werden und ihnen wird auch jeglicher Zugang zu Medikamenten verwehrt. Sie kann auch keine medizinische Betreuung bekommen. Sie hat mehrfach erfolglos beantragt, in ein Krankenhaus oder eine Krankenstation verlegt zu werden. Das wird ihr ebenso verwehrt, wie der Zugang zu einem Anwalt oder der Familie. Das ist die Lage, der Mahvash Sabet und Fariba Kamalabadi, die ebenfalls ein ärztliches Attest besitzt, das aussagt, dass sie sich nicht in Haft befinden kann, jetzt ausgesetzt sind.“

Daniela Sepehri betonte daraufhin die „doppelte Diskriminierung. Als Frau sind sie ja ohnehin schon Diskriminierung ausgesetzt und als Bahá’í dann auch nochmal. Diese doppelte Diskriminierung trägt sich dann auch in die Gefängnisse weiter, wenn man sieht, welche Rechte ihnen auch dort verweigert werden.“

Renata Alt ergänzte: „Ich war entsetzt, als ich mehr über die Bahá’í erfahren habe und wie der Statt mit ihnen umgeht. Die Sichtweise auf diese religiöse Minderheit ist unmenschlich. Sie werden als unrein bezeichnet, als Feinde des Staates, Gefahr für die nationale Sicherheit. Es wird ihnen unterstellt, dass sie automatisch Spione des Westens sind. Es wurde 1991 ein geheimes Memorandum der iranischen Regierung öffentlich, in dem es heißt, Bahá’í seien als Analphabeten zu halten, auf niedrigstem Exitenzniveau und stets voller Angst, dass ihnen Inhaftierung und schlimmeres droht. Die Repressalien haben in der Corona-Pandemie noch zugenommen. Ihr Besitz wird enteignet, sie werden vertrieben. Es ist so, dass man sie eigentlich auslöschen möchte. Das ist so inhuman, dass man als normaler Mensch nicht zuschauen kann. Daher ist es wichtig auf diese Schicksale unbedingt aufmerksam zu machen. Es sind Tausende von Schicksale um die es in den letzten Monaten geht. Jedes Einzelne muss thematisiert werden.“

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