Berlin, 20. September 2023 – Die Internationale Bahá’í-Gemeinde (BIC) bemängelt nach der Rede des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass dieser in seiner Rede die Menschenrechte unbeachtet lässt. Weder ging Raisi in seiner Rede auf die systematische Verfolgung der Bahá’í, der größten nicht-muslimischen religiösen Minderheit im Iran, noch auf die Menschenrechtsprobleme anderer religiöser und ethnischer Minderheiten, Frauen und politischer Gefangener ein und dies einem Zeitpunkt, in der weltweit das harte Vorgehen und die Unterdrückung gegen diese durch die iranische Regierung fortlaufend angeprangert wird.
„Herr Raisi tritt vor die internationale Gemeinschaft, während Millionen von Bürger-und Bürgerinnen in seinem Land mit massiven Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sind. Jedes Jahr wird die iranische Regierung von internationalen Gremien von neuem für die Verfolgung von Bahá‘í und die Belästigung und gewaltsame Unterdrückung vieler anderer gerügt. Die Staatengemeinschaft muss neue Wege finden, um die iranische Regierung für die Verletzung der Menschenrechte aller ihrer Bürger zur Rechenschaft zu ziehen. Alle unschuldigen und seit langem leidenden Iraner-und Iranerinnen, einschließlich der Bahá‘í, verdienen endlich Gerechtigkeit“, sagt Alina Braml, Vertreterin der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland.
Der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran, Javaid Rehman, sagte erst im Februar dieses Jahres, dass die Bahá’í nach wie vor „am stärksten verfolgt werden, mit einer deutlichen Zunahme von Verhaftungen, Verfolgungen und Schikanen“.
Der Präsident der Islamischen Republik rief in seiner Rede in New York zur Achtung der Religionen in der Welt und ihrer Heiligen Schriften auf. Allerdings gibt seine Regierung jedes Jahr Millionen von Dollar und enorme staatliche Mittel aus, um Hassreden über die Lehren und religiösen Texte der Bahá’í zu produzieren – Mittel, die stattdessen für die Weiterentwicklung der iranischen Gesellschaft eingesetzt werden könnten.
Die jährlich im September stattfindende Generalversammlung der Vereinten Nationen ist eines der sechs Hauptorgane der UN und dient als wichtigstes beratendes, politikgestaltendes und repräsentatives Gremium, das sich mit aktuellen Menschenrechtsfragen befasst. In diesen Tagen versammeln sich die Staats- und Regierungschefs der Welt, um Reden auf höchster Ebene zu halten.
„Jedes Jahr erleben wir, wie ein iranischer Präsident vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen auftritt, um zu sagen, dass die Islamische Republik der Meinung ist, dass alle gleich sind und dass es verboten ist, andere mit Gewalt zu behandeln“, so Alina Braml. „Die atemberaubende Heuchelei der iranischen Regierung muss konsequent angeprangert werden. Wenn die iranische Regierung tatsächlich glaubt, dass alle Menschen gleich sind, warum wird die iranische Bahá‘í-Gemeinde in den letzten 44 Jahren systematisch verfolgt? Warum wird den Bahá’í der Zugang zu höherer Bildung verwehrt, warum werden sie verhaftet, vorgeladen, ohne ordentliches Verfahren unter falschen Anschuldigungen verurteilt und jahrelang eingesperrt? Wenn die iranischen Behörden sagen, dass Gewalt verboten sein sollte, warum werden dann die Bahá’i – und viele andere Gefangene aus Gewissensgründen in iranischen Gefängnissen – physisch und psychisch misshandelt?“, so Frau Braml.
Seit 1983 wird jährlich eine Resolution der Generalversammlung gegen den Iran verabschiedet, die von allen Regionen mitgetragen und unterstützt wird und in der auf die Menschenrechtsverletzungen gegen die iranischen Bürger hingewiesen wird.
„Die Bahá’í-Gemeinde hat über Jahrzehnte hinweg Tausende von Beweisen gesammelt, darunter Gerichtsdokumente, offizielle Richtlinien und UN-Berichte, die die unerbittliche staatlich orchestrierte Verfolgung der Bahá’í belegen. Wir hoffen, dass die Staats- und Regierungschefs aller Regionen in den verbleibenden Tagen der Generalversammlung aufstehen werden, um all derer zu gedenken, die im Iran Unrecht erleiden, einschließlich der Bahá’í,“ fügt Alina Braml hinzu.
In den vergangenen 12 Monaten hat sich die Lage der iranischen Bahá’í-Gemeinde und der iranischen Bevölkerung im Allgemeinen immer weiter verschlechtert. Allein in den letzten Wochen gab es über 180 Verfolgungen gegen die Gemeinschaft, darunter 60 Verhaftungen und Inhaftierungen.
Beispiellose Abstimmung im US-Repräsentantenhaus zur Unterstützung der iranischen Bahá’í stärkt die weltweite Unterstützung
Inmitten des harten Vorgehens gegen die iranische Bahá’í-Gemeinde hat das
US-Repräsentantenhaus eine Resolution zu den Bahá’í im Iran verabschiedet, die von 28 Kongressabgeordneten mitgetragen wurde. Der neue Gesetzentwurf, House Resolution 492, wurde von der Kongressabgeordneten Jan Schakowsky aus Illinois eingebracht, die einige Wochen zuvor die internationale Menschenrechtskampagne #OurStoryIsOne unterstützte und dabei den Gesetzesentwurf ankündigte.
Die 12-monatige Kampagne #OurStoryIsOne ist eine Initiative der Internationalen Bahá’í-Gemeinde und ist zehn iranischen Bahá’í-Frauen aus Schiras gewidmet, die vor 40 Jahren hingerichtet wurden, weil sie sich für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit einsetzten. Ihr Vermächtnis lebt weiter – und so widmet die Bahá’í-Gemeinde die Kampagne allen Frauen im Iran, die weiterhin für die Gleichstellung der Geschlechter kämpfen.
Die Resolution gedenkt der zehn Frauen von Schiras und ihr Vermächtnis und verurteilt ferner die „Verletzung der internationalen Menschenrechtspakte“ und fordert die iranische Regierung auf „die Bahá’í und andere Personen, die allein aufgrund ihrer Religion inhaftiert oder verhaftet wurden, freizulassen sowie ihre diskriminierende Politik und staatlich geförderte Hasspropaganda gegen die Bahá’í und anderer religiöse Minderheiten einzustellen.
Schakowsky sagte nach der Verabschiedung der Resolution, dass das Repräsentantenhaus „eine starke, einheitliche Botschaft an die iranische Regierung sendet, in der die schweren Menschenrechtsverletzungen verurteilt werden“ und dass „die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten alle verfügbaren diplomatischen Mittel nutzen müssen, um sicherzustellen, dass der Iran diese von Hass geschürte Kampagne gegen seine Bahá’í-Minderheit jetzt beendet“.
In der Resolution heißt es ferner, dass „die Bahá’í im Iran nie von ihrer Regierung anerkannt wurden und oft vom iranischen Regime verfolgt werden. Das Regime beschlagnahmt häufig persönliches Eigentum, verweigert Bahá’í den Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen und verhaftet oder inhaftiert Bahá’í allein aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen.“
„Die Bahá’í-Gemeinde begrüßt diese beispiellose parteiübergreifende Unterstützung durch die amerikanische Legislative“, sagt Alina Braml.
„Dutzende von iranischen Bahá’í wurden in den letzten Wochen entweder festgenommen, verhaftet, vor Gericht gestellt, verurteilt oder ins Gefängnis geworfen“, fügte Frau Braml hinzu. „Die iranische Regierung schreckt vor nichts zurück, um zu versuchen, die Bahá’í im Iran zu strangulieren, sie als Gemeinschaft unbrauchbar zu machen, sie zu unterdrücken und Hassreden und Verleumdungen gegen sie zu verbreiten. Die Iraner und die internationale Gemeinschaft fordern mit Nachdruck und mit einer Stimme ein Ende der systematischen Verfolgung der Bahá’í und der Verletzung der Rechte so vieler Menschen im ganzen Land. Alle Bürger und alle Gruppen im Iran verdienen es, gleichberechtigt in ihrem eigenen Land zu leben, ob Frau oder Mann, ob sie in der Mehrheit sind oder einer ethnischen oder religiösen Minderheit angehören.“