Berlin, 18. Juni 2024 – In einer bewegenden Erklärung haben 10 iranische Frauen, die im Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert sind, 10 iranische Baha’i-Frauen geehrt, die vier Jahrzehnte zuvor im Adel Abad-Gefängnis in Shiraz inhaftiert waren. Die Erklärung knüpft an die Kampagne #OurStoryIsOne an, die vor einem Jahr zu Ehren der 10 Bahá’í-Frauen gestartet wurde, die schließlich alle in der Nacht des 18. Juni 1983 hingerichtet wurden.
In der Erklärung, die aus dem Frauentrakt des Evin-Gefängnisses stammt, heißt es: „Nach Jahren der Gefangenschaft und des Zusammenlebens mit Bahá’í-Frauen, die den Druck und die Entbehrungen miterlebt haben, die ihnen und ihren Familien aufgrund ihres andersartigen Glaubens auferlegt wurden, und nachdem wir ihre Geschichten damals wie heute gehört und sie mit dem verglichen haben, was Dissidenten stets auferlegt wird, erkennen wir, dass „unsere Geschichte in der Tat eine ist“.
Die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, die nach wie vor im Evin-Gefängnis inhaftiert ist, unterzeichnete den Aufruf zusammen mit neun weiteren Personen: Mahboubeh Rezayi, Hasti Amiri, Samaneh Asghari, Sakineh Parvaneh, Maryam Yahyaei, Anisha Assadollahi, Sepideh Gholian, Golrokh Iraee und der Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi.
Mohammadi und ihre Mitunterzeichnerinnen bezeichnen die Hinrichtung der zehn Frauen – von denen die jüngste erst 17 Jahre alt war und die nacheinander gehängt wurden, während die anderen zusehen mussten – als „eine der schockierendsten Geschichten, die wir je gehört haben“, und beklagten die Hinrichtung von „fast 300 unserer Bahá’í-Landsleute“ in den Jahren nach der Islamischen Revolution 1979.
„Unser Schweigen angesichts dieser Unterdrückung einer Gruppe der Gesellschaft, deren bloße Existenz als Bahá’í-Bürger kriminalisiert wurde, hat diese Verbrechen für das Regime weniger kostspielig gemacht und den Weg für ihre Wiederholung und Intensivierung geebnet“, heißt es in der Erklärung. „Unterschiede in unseren politischen Ansichten und Überzeugungen haben uns nie daran gehindert, für die Rechte einzutreten, und werden es auch in Zukunft nicht tun.“
„Wir stehen an der Seite unserer Bahá’í-Landsleute, bis das ihnen auferlegte Leid ein Ende hat“, erklären die Unterzeichnerinnen abschließend: „Frauentrakt, Evin-Gefängnis, Iran, #OurStoryIsOne“.
„Vor 41 Jahren wurden zehn unschuldige Bahá’í-Frauen mitten in der Nacht hingerichtet, und die iranische Regierung versuchte, ihre Namen und Geschichten historisch zu begraben“, sagt Jascha Noltenius, Beauftragter für Menschenrechtsfragen der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland. „Aber dieser rücksichtslose Akt hat stattdessen eine Bewegung in Gang gesetzt, die sich der Einheit verschrieben hat, und diese Frauen zu weltweiten Symbolen eines unerschütterlichen Engagements für Gerechtigkeit, für die eigenen Überzeugungen und für den Grundsatz der Gleichheit gemacht, auch wenn es sie das Leben gekostet hat. Die Erklärung der zehn inhaftierten iranischen Frauen ist ein Beispiel für die Millionen von Menschen, nicht nur im Iran, sondern weltweit, die die Geschichte dieser Frauen als ihre eigene ansehen, als Teil der Geschichte aller iranischen Frauen, ja aller Frauen weltweit, in ihrem Kampf für Gerechtigkeit und die Gleichberechtigung der Geschlechter.“
Die Kampagne erreichte Millionen von Menschen im Iran und in allen Erdteilen – mit Hunderten von öffentlichen Unterstützungsbekundungen verschiedener ethnischer und religiöser Gruppen.
Der einjährige Jahrestag von #OurStoryIsOne wurde auch durch die Veröffentlichung eines wichtigen neuen Dokumentarfilms begangen, den der in Deutschland lebende Filmemacher Sepehr Atefi für den bekannten Fernsehsender Iran International produziert hat. Der Film mit dem Titel „The Women Who Said No“, der zwischen dem 18. und 20. Juni mehrmals ausgestrahlt wird, erzählt die Geschichte der zehn hingerichteten Frauen anhand von Interviews, Archivmaterial und rekonstruiertem Filmmaterial.
Der Film folgt auf einen Dokumentarfilm, der letztes Jahr von Radio Farda veröffentlicht wurde, mit dem Titel „Before Sunrise“, ebenfalls über die 10 Baha’i-Frauen, die kurz vor Sonnenaufgang gehängt wurden.
Bahá’í-Gemeinden auf der ganzen Welt veranstalteten besondere Gedenkveranstaltungen, von Konzerten bis hin zu Galerieausstellungen, bei denen einige der Tausenden von künstlerischen Beiträgen gezeigt wurden, die Mitglieder der Öffentlichkeit im vergangenen Jahr zur Kampagne #OurStoryIsOne beigesteuert hatten. Auch in Deutschland fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, so auch ein hochkarätiges Podiumsgespräch am 29. Mai in Berlin.
„Die überwältigende Beteiligung an der Kampagne Our Story Is One zeigt, dass das Schicksal der zehn Frauen in Shiraz und die Themen Einheit und Gleichstellung der Geschlechter weltweit auf große Resonanz stoßen“, sagt Noltenius. „Die außergewöhnlichen künstlerischen Beiträge und die weltweite Unterstützung auf so vielfältige Weise zeigen die Kraft kollektiven Handelns bei der Umwandlung einer tragischen Geschichte in eine Geschichte der Hoffnung, der Inspiration und des gemeinsamen Handelns zur Gestaltung unseres gemeinsamen Schicksals. ‚Our story is one‘ ist die Botschaft, mit der die 10 Bahá’í-Frauen geehrt werden, die vor über 40 Jahren stillschweigend hingerichtet wurden. Heute sind ihre Geschichten zu Symbolen einer kollektiven Bemühung um Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Wahrheit geworden, die sich letztlich durchsetzen werden.“
Das vollständige Statement findet sich hier.