Konstruktive Resilienz der iranischen Bahá’í
Ein Grundsatz der Bahá’í-Lehren ist die parteipolitische Neutralität.  Bahá‘í streben weder nach politischer Macht, noch nehmen sie politische Ämter an oder schließen sich politischen Parteien an.  Um der Gesellschaft, in der sie leben zu dienen, beteiligen sie sich zivilgesellschaftlich oder in der Verwaltung. Sie beteiligen sich nicht an einer Anstiftung zum Sturz einer Regierung und mischen sich nicht in die politischen Beziehungen zwischen den Regierungen verschiedener Nationen ein.
Wenngleich die Bahá’í selbst nicht politisch aktiv sind, respektieren sie diejenigen, die sich aus dem aufrichtigen Wunsch heraus, ihrem Land zu dienen, dafür entscheiden, sich politisch zu betätigen.  In diesem Zusammenhang betrachten sie die Regierung als ein System zur Aufrechterhaltung des Wohlergehens und des geordneten Fortschritts einer Gesellschaft und verpflichten sich, die Gesetze ihres Landes einzuhalten, ohne dabei zuzulassen, dass ihre inneren religiösen Überzeugungen verletzt werden.


Trotz der Brutalität und Systematik der Verfolgung, weigern sich die Bahá’í im Iran, sich der Opferrolle zu fügen. Stattdessen greifen sie immer wieder auf Reserven erstaunlicher Widerstandsfähigkeit zurück.  Anstatt der Unterdrückung nachzugeben, wenden sich die iranischen Bahá’í fortwährend mutig an dieselben Beamten, die an ihrer Verfolgung beteiligt sind, indem sie rechtliche Argumente vorbringen, die auf der Iranischen Verfassung und dem Gesetzen des Landes beruhen.


Die konstruktive Resilienz der Iranischen Bahá’í wird besonders deutlich am Beispiel des Bahá’í Institute for Higher Education (BIHE): Diese informelle Bildungseinrichtung wurde 1987 ins Leben gerufen, um jungen Bahá’í Hochschulbildung zu ermöglichen. Denn unmittelbar nach der islamischen Revolution wurden alle Bahá’í-Universitätsprofessoren entlassen und Bahá’í-Studenten von den Universitäten verwiesen.  Als immer deutlicher wurde, dass die Behörden nicht die Absicht hatten, diese Situation zu ändern, und weil die Bahá’í-Gemeinde der Bildung einen hohen Stellenwert einräumt, begannen Bahá’í mit Fachkenntnissen in verschiedenen Bereichen, ihre Dienste als Dozenten ehrenamtlich anzubieten. Mittlerweile bietet BIHE Kursangebote in 38 Studiengängen bei mehr als 700 Dozenten an. Der Hochschulbetrieb erfolgt zum Großteil über Fernunterricht und Kleingruppen in Privatwohnungen. Die Bildungsangebote haben ein so hohes Niveau, sodass es einigen der Absolvierenden gelingt, an Universitäten im Ausland zugelassen zu werden, auch wenn eine flächendeckende Anerkennung der Abschlüsse auch in Deutschland noch nicht gewährleistet ist, wie dieser Artikel der ZEIT aufzeigt.
Eine umfangreiche Darstellung des Ansatzes der konstruktiven Resilienz im Umgang mit Unterdrückung und Verfolgung finden Sie im Jahrbuch Religionsfreiheit 2020.


Internationale Solidarität
Außerhalb des Iran hat die internationale Gemeinschaft kontinuierlich mit überwältigendem Mitgefühl auf die Verfolgung der Bahá’í im Iran reagiert und ihre Besorgnis über die Menschenrechtsverletzungen durch die Islamische Republik zum Ausdruck gebracht.  Solche Unterstützungsbekundungen wurden von der Generalversammlung der Vereinten Nationen, den Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen, internationalen Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte und der Gesellschaft für bedrohte Völker sowie regionalen Gremien wie dem Europäischen Parlament, nationalen Parlamenten sowie nationalen Regierungen abgegeben.


Zum Weltreligionstag am 17. Januar 2021 forderte der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, MdB Markus Grübel „die iranische Regierung dazu auf, die Bahá’i als religiöse Gemeinschaft anzuerkennen“ sowie „ein Ende der Diskriminierung und Verfolgung der Bahá’i-Gemeinschaften in Iran“.


Immer mehr Menschen im Iran, darunter Intellektuelle, Journalisten, Aktivisten, Filmemacher, Künstler und eine Reihe von Geistlichen, haben sich ebenfalls für die Rechte der Bahá’í ausgesprochen und erkannt, dass die Situation der Bahá’í im Iran einen Lackmustest für den Zustand dieser Gesellschaft und ihre Fähigkeit, die Rechte jedes Bürgers zu schützen, darstellt. Aktuelle Beispiele waren die Social Media Kampagnen #ItsTheirLand und #StopHatePropaganda, die die weltweite Aufmerksamkeit bei Twitter auf die systematische Verfolgung der Bahá’í im Iran lenkten.