Noch im Tod werden die Bahá’í verfolgt

Seit 2007 sind in über 30 Fällen Bahá’í-Friedhöfe geschändet, zerstört oder in Brand gesetzt worden. Ordnungsgemäße Bahá’í-Bestattungen werden durch iranische Behörden immer wieder gestört oder gänzlich unterbunden. Nun macht die Internationale Bahá’í-Gemeinde auf einen aktuellen Fall in der Stadt Sanandaj aufmerksam. Unter dem derzeitigen Regime in Iran steht Sanandaj jedoch nicht allein.
Im Jahr 1993 wurde den Bahá’í in der iranischen Stadt Sanandaj ein ein Hektar großes Stück ödes Land seitwärts einer Straße zur Nutzung als Friedhof zugeteilt. Auf dem felsigen Untergrund – nicht gerade ein Grundstück in bester Lage – wächst keine Pflanze. Nach dem ersten Begräbnis im Herbst des Jahres taten sich daher die Bahá’í zusammen, um das Stück Ödnis zu kultivieren, Steine und Felsen auszugraben und Erde aufzufüllen. Sie pflanzten und bewässerten von Hand 250 Zypressen und Tannensetzlinge, die das städtische Landwirtschaftsbüro beigesteuert hatte. Sie installierten zudem Strom und bauten einen kleinen Raum, wo die Leichname der Verstorbenen für das Begräbnis vorbereitet werden konnten. Vor jeder Maßnahme holten die Bahá’í zuerst die entsprechende Erlaubnis ein. Als sie beispielsweise einen Brunnen graben wollten, wandten sie sich zuerst an das zuständige Wasseramt, um Erlaubnis zu erhalten. Als die befristete Erlaubnis ablief, wurde sie ordnungsgemäß verlängert.
Das städtische Umweltamt war von der Verwandlung des Grundstücks beeindruckt. Es schlug den Bahá’í vor, auch das benachbarte öffentliche Grundstück mit Bäumen zu bepflanzen, um damit die Grünfläche zu vergrößern. Nach und nach begannen die vorwiegend sunnitischen Muslime von Sanandaj, diesen Ort als Symbol der friedlichen Anwesenheit der Bahá’í-Gemeinde in ihrer Stadt zu respektieren.
Doch nach achtzehn Jahren scheint sich die Haltung der Behörden geändert zu haben. Mittlerweile fordern sie den Friedhof zurück und berufen sich dabei auf den Anspruch der öffentlichen Hand auf die Liegenschaft. Die Genehmigung zur Beschlagnahmung und die Anweisung, Gebäude und Gräber zu zerstören, werden Ende dieses Monats vor Gericht entschieden.
Dies verspricht nicht Gutes. Schon am 19. Dezember führten Geheimdienstmitarbeiter in zwölf Häusern der Stadt Razzien durch. Bahá’í-Bücher, Schriften und Fotografien wurden beschlagnahmt, ebenso CDs, Audiokassetten, Computer, Mobiltelefone und persönliche Unterlagen. „Angesichts der zunehmenden Verfolgung der Bahá’í in Sanandaj, scheint das Schicksal des Friedhofs – auf Anordnung des Geheimdienstministeriums – bereits besiegelt“, meint Diane Ala’i, Sprecherin der Internationalen Bahá’í-Gemeinde bei den Vereinten Nationen in Genf.
In einer Mitteilung vom 17. Januar forderte die Human Rights Organization of Kurdistan die Behörde auf, „andere Religionen zu tolerieren und zu akzeptieren”. Die Organisation beschreibt die „neue Welle des Drucks und der Einschränkungen“ gegen die Bahá’í-Gemeinde als „unmenschliches und illegales Vorgehen …, das den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verletzt”.

„Es reicht nicht, nur die Lebenden zu verfolgen. Die iranischen Behörden schrecken nicht einmal davor zurück, selbst die Totenruhe der Verstorbenen zu stören“, sagt dazu Ala’i. „Dies ist nur der aktuellste Vorfall in einer langen Reihe von Angriffen auf Bahá’í-Friedhöfe und Bestattungen. Alle Vorfälle stehen im krassen Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsnormen und dem Respekt vor Verstorbene, die jeder Mensch mit Anstand verspürt.“

Nach Angaben der Internationalen Bahá’í-Gemeinde gehört zu den aktuellen Fällen auch die Schändung des Friedhofes in Sangsar. So wurde im März 2011 der neu eingerichtete Friedhof in Sangsar, Provinz Semnan, der den ortsansässigen Bahá’í zuvor durch die Stadtverwaltung übereignet worden war, von Unbekannten geschändet. Die Gräber wurden mit Dreck überschüttet, Bäume entwurzelt und Räume zerstört. Im Juli 2010 zerstörten Unbekannte die Gräber auf dem Bahá’í-Friedhof der Stadt Jiroft in der Provinz Kerman unter Einsatz von Planierraupen. Und Ende Mai 2010 wurde der Bahá’í-Friedhof in Mashhad nachts durch Frontlader und anderes schweres Gerät zerstört. Die Friedhofsmauer, die Leichenhalle und der Ort, wo Gebete verrichtet werden, wurden schwer beschädigt.
In weiteren Fällen versuchten Beamte, die Beerdigungen von Bahá’í zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen. In Täbris war es den Bahá’í beispielsweise jahrelang erlaubt, den öffentlichen Friedhof zu nutzen. Im August letzten Jahren wurde der Familie einer unlängst Verstorbenen mitgeteilt, dass die Frau gemäß islamischer Riten zu bestatten sei. Die sterblichen Überreste der Frau mussten schließlich auf einem Bahá’í-Friedhof in einer anderen Stadt beigesetzt werden. Ein ähnlicher Fall ereignete sich letzten Oktober, als der Leichnam eines Bahá’í von Täbris zu einem einhundert Kilometer entfernten Bahá’í-Friedhof überführt und beigesetzt wurde, ohne dass die Familie zuvor darüber informiert wurde. Dazu Diane Ala’i:

„Die iranische Regierung behauptet auf internationaler Ebene ständig, dass die Bahá’í nicht anders als andere behandelt würden. Sie würden nur dann ‘bestraft’, wenn sie etwas illegal getan hätten. Worin genau besteht das Vergehen der toten Menschen, dass sie solche Behandlung verdienen? Die Kultivierung des Friedhofs von Sanandaj und seiner Umgebung ist Beleg für den aufrichtigen und positiven Beitrag, den die iranischen Bahá’í für ihr Land leisten möchten. Genauso offensichtlich ist es, dass es der Obrigkeit nicht möglich ist, dies anzunehmen.“

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