Die sich entfaltende Strategie, die Bahá’í-Gemeinde durch die Verbreitung von Unwahrheiten zu dämonisieren, spiegelt sich in einem wachsenden und koordinierten Netzwerk von Hunderten von Websites, Instagram-Accounts, Telegram-Kanälen und Clubhouse-Räumen wider. „Bahá’i sind unrein und Feinde eurer Religion“, „Der Umgang mit Bahá’i ist verboten„, „Der Kauf von Waren aus einem Bahá’í-Laden ist verboten“, sowie „Die modernen ‚Menschenrechte‘ sind eine große Lüge“ sind nur einige wenige Beispiele der Inhalte, die sich in den sozialen Medien wiederfinden.
Zu den Websites und Social-Media-Kanälen kommen noch Videos, Zeitungsartikel und andere schriftliche Medien, Bücher, Seminare, Ausstellungen und Graffiti hinzu sowie Fatwas, sowohl von offiziellen Stellen als auch von anderen, die von der Regierung gesponsert werden, aber vorgeben, unabhängig zu sein.
Die Verbreitung von Unwahrheiten ist seit der Islamischen Revolution von 1979 eine zentrale Waffe im Angriff der iranischen Regierung gegen die Bahá’í. Das Ziel ist es, die Bahá’í zu dämonisieren und zu versuchen, den öffentlichen Hass auf die Gemeinde zu schüren, um so Verbrechen gegen sie zu rechtfertigen.
Eine Publikation der BIC mit dem Titel „Inciting hatred“ („Hass schüren“) bietet eine detailliertere Analyse der jahrzehntelangen Medien-und Hasskampagnen gegen die Bahá’í im Iran. Dabei wird deutlich, dass durch die diversen Plattformen in den sozialen Medien Hunderttausende von Desinformationen Millionen von Iranern erreichten.
„Die Geschichte ist voll von Opfern schwerer Verbrechen, die durch Hassreden angestachelt wurden“, sagt Jascha Noltenius, Beauftragter für Menschenrechtsfragen der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland. „Wir sind besorgt, dass die zunehmende Verbreitung von Desinformationen, die sich gegen die Bahá’i richten, eine ernsthafte Zunahme der Verfolgung gegen sie signalisieren könnte.“
Die iranische Regierung erkennt die Bahá’í nicht als religiöse Minderheit an, und als solche haben die Bahá’í weder das Recht, rechtlich gegen diese Aussagen vorzugehen, noch ist es ihnen gestattet, darauf zu reagieren und ihren Mitbürgern im Iran ihren eigenen Fall darzulegen.
António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, sagt in seinem Aktionsplan 2019 zur Bekämpfung von Hassreden, dass „Hassreden eine Bedrohung für demokratische Werte, soziale Stabilität und Frieden sind. Grundsätzlich müssen die Vereinten Nationen Hassreden auf Schritt und Tritt entgegentreten. Schweigen kann Gleichgültigkeit gegenüber Bigotterie und Intoleranz signalisieren, selbst wenn eine Situation eskaliert und die Schwachen zu Opfern werden.“
Die Aufstachelung zum Hass ist nach völkerrechtlichen Verträgen, die der Iran selbst ratifiziert hat, wie dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, verboten.
„Der Iran hat seine internationalen Verpflichtungen konsequent ignoriert, und es ist an der Zeit, dass er für die Aufstachelung zum Hass und die zahllosen Menschenrechtsverletzungen, die er ungestraft gegen die Bahá’í begeht, zur Rechenschaft gezogen wird“, sagt Jascha Noltenius. „Hassverbrechen beginnen immer mit Worten. Wir sollten nicht zulassen, dass sich die Geschichte wiederholt.“
Hintergrund
Die Bahá’í, die größte nicht-muslimische religiöse Minderheit im Iran, werden seit der Islamischen Revolution von der iranischen Regierung systematisch verfolgt. Mehr als 200 Bahá’í wurden in den 1980er Jahren hingerichtet; heute werden ihnen Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor und höhere Bildung verwehrt, ihre Lebensgrundlage wird oft zerstört, ihre Friedhöfe geschändet und sie werden in staatlichen und halboffiziellen Medien sowie von der Kanzel und in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen verunglimpft.
Die Situation hat sich in den letzten Monaten verschlechtert: Dutzende von Bahá’í-Grundstücken wurden beschlagnahmt,auch als geheime Regierungsdokumente enthüllt wurden, die sich gegen die Bahá’í-Gemeinde richten. Über die Situation wurde von den Vereinten Nationen und anderen Organisationen ausführlich berichtet.