Berlin, 16. November 2023 – Vor wenigen Tagen richtete Fariba Kamalabadi einen Brief aus dem Evin-Gefängnis an die Öffentlichkeit. Nachdem sie bereits von 2008-2018 unschuldig in dem berüchtigten Teheraner Gefängnis saß, wurde sie vier Jahre nach ihrer Freilassung im Juli 2022 erneut verhaftet und wieder zu zehn Jahren Haft verurteilt.
In ihrem Brief beschreibt sie das Leid zahlreicher Familien, ihre eigene Familie einbegriffen. Eindrucksvoll schildert sie darin, wie jede/r Bahá’í im Iran eine lebenslange Geschichte der Verfolgung hat, die jede Facette seines Lebens beeinflusst hat und wie jede dieser Geschichten ein erschreckendes Zeugnis jahrzehntelanger gnadenloser Verfolgung einer ganzen Gemeinschaft sind, nur wegen ihres Glaubens.
In dem Brief erzählt von einem Telefonat mit einer Verwandten:
„Ich hörte von ihr, dass eine Gruppe von Sicherheitskräften ihr Haus in Hamadan überfallen, die Tür in Abwesenheit des Eigentümers aufgebrochen und das Haus durchsucht hätte. Unweigerlich erinnerte ich mich momentan an das Jahr 1987, als Showghangiz und ihr Ehemann unter dem Vorwurf, Bahá’í zu sein, verhaftet und vom Hamadan-Gefängnis ins Evin-Gefängnis überführt wurden. Zu dieser Zeit hatten sie drei minderjährige Kinder im Alter von 4, 6 und 8 Jahren, die nach der Verhaftung ihrer Eltern der Aufsicht ihrer Eltern entzogen wurden. Nach mehreren Monaten völliger Ahnungslosigkeit brachten die Verwandten schließlich jede Woche alle drei Kinder nach Teheran, damit sie an einem Tag ihren Vater und an einem anderen Tag ihre Mutter besuchen konnten, bevor sie nach Hamadan und zur Schule zurückkehrten. Es ist offensichtlich, dass solche Verhaftungen von Eltern mit kleinen Kindern als eine geplante Handlung, die leider immer noch andauert, unauslöschliche negative Auswirkungen auf die Kinder und ihre Eltern hat und ein Beispiel für ‚Kindesmisshandlung‘ darstellt. Aber das vierjährige Mädchen wurde später in den späten 2000ern, als es bereits eine junge Frau geworden war, in Hamadan festgenommen und ins Gefängnis von Nahavand gebracht. Jetzt war es die alte und allein gelassene Mutter, die jede Woche von Hamadan nach Nahavand reiste, um ihre junge Tochter zu besuchen, die im öffentlichen Gefängnis von Nahavand unter sehr schlechten Bedingungen festgehalten wurde.“
In einem kurzen Telefonat mit ihren Kindern, erfuhr Fariba Kamalabadi, dass dutzende Familien von den Hausdurchsuchungen betroffen sind und zahlreiche Bahá’í inhaftiert wurden. Es ist offensichtlich, dass die Behörden es besonders auf ältere Menschen und junge Familien mit kleinen Kindern abgesehen haben. Hatte man in der Vergangenheit noch Respekt vor der älteren Generation, so fällt nun auf, dass die Behörden weder diese schonen noch davor zurückschrecken, kleine Kinder von ihren Eltern zu trennen.
„Einer von ihnen ist der Neffe meines Ehemanns, Foad Taefi, welcher drei kleine Kinder hat. Foad war als Kind Zeuge der Inhaftierung seines Vaters, später der Verhaftung seiner Mutter in Mashhad, und dann erlebte er die Verhaftung und Inhaftierung seines Schwiegervaters im Gefängnis von Rajá’í Shahr in Karaj. Unter den Gefangenen in Karaj ist auch ein junges Ehepaar, das zwei kleine Kinder hat. Man kann mit Sicherheit sagen, dass es im Iran keine Bahá’í-Familie gibt, die nicht eine Vergangenheit voller Leiden und Verletzungen in mehreren aufeinanderfolgenden Generationen hätte.“
Von Fariba Kamalabadi erfahren wir aus ihrem Brief, das ihr nun im Lichte der neuesten Verfolgungswellen der Bahá’í klar wurde, was einer ihrer Verhörenden im August 2022 meinte, als er sagte: „Ja, wir wissen, dass Sie in dieser Zeit keine Verantwortung hatten, aber aus unserer Sicht sollten alle im Iran verbliebenen Bahá’í verhaftet und ins Gefängnis gesteckt werden. Wenn wir es könnten, würden wir alle ins Gefängnis stecken.“
„Damals dachte ich, dass diese Antwort nur eine Rechtfertigung für meine unrechtmäßige Verhaftung sei. Jetzt bin ich mir jedoch durch den Angriff auf das Haus einiger älterer Damen sicher, dass an diesem Tag die Regierung eine klare und reale Strategie gegenüber der Bahá’í-Gemeinde im Iran verfolgt, nämlich: „Alle Bahá’í, die im Iran verblieben sind und den Iran nicht verlassen haben, verdienen es, verhaftet und ins Gefängnis gesteckt zu werden.“
Diese Zeilen, so sagt Kamalabadi, schreibt sie auch „für alle Kinder im Iran und das gerechte Volk meines geliebten Landes, die ihre Lieben und Jugendlichen durch Unterdrückung und Unrecht verloren haben. Weil: #OurStoryIsOne.“ Vielleicht wird das Hören dieser schmerzhaften, aber wahren Geschichten dazu führen, dass wir mehr denn je danach streben, dass die Gerechtigkeit an die Stelle der Unterdrückung tritt und das Licht die Dunkelheit überwindet.“
Den vollständigen Brief kann man hier lesen.