Mehr als 20 Bahá’í-Häuser bei gewaltsamen Razzien gestürmt und mindestens 19 verhaftet

Berlin, 10. November 2022 – Bewaffnete iranische Sicherheitsbeamte haben in dieser Woche in den Städten Karaj und Hamedan die Wohnungen von mehr als 20 Bahá’í durchsucht und nach neuesten Informationen mindestens 19 von ihnen festgenommen. Viele der Bahá’í wurden bei den Razzien beschimpft und tätlich angegriffen. Die jüngsten Verhaftungen und Hausdurchsuchungen – bei denen auch fünf ältere Frauen belästigt wurden – bestätigen die zunehmenden Befürchtungen, dass die iranische Regierung noch härter gegen die verfolgte Bahá’í-Gemeinde im Iran vorgeht.

In Hamedan wurden Hausdurchsuchungen bei fünf älteren Frauen zwischen 70 und 90 Jahren durchgeführt. Eine von ihnen leidet an Alzheimer, eine andere wurde nach der Razzia notfallmäßig auf die Intensivstation gebracht. In einem anderen Fall brachen die Beamten die Wohnungstür einer 82-jährigen Frau auf, durchsuchten die Wohnung, zerschlugen ihr Hab und Gut und beschädigten die Wohnung in ihrer Abwesenheit. Die Ehemänner von zwei dieser Frauen gehörten zu den mehr als 200 Bahá’í, die von der iranischen Regierung nach der islamischen Revolution 1979 hingerichtet wurden.

Es liegen keine weiteren Informationen über die Anschuldigungen gegen diese Bahá’í vor und auch nicht darüber, wo sie festgehalten werden.

Zehn weitere Bahá’í wurden letzten Monat in Isfahan verhaftet – ausschließlich Frauen. 26 weitere wurden zu insgesamt 126 Jahren Haft verurteilt. Insgesamt wurden seit letztem Monat mindestens 32 Personen in einer Reihe von Städten im ganzen Land inhaftiert.

„Mit jeder Woche, die vergeht, und mit jeder neuen Verhaftungswelle liefert uns die iranische Regierung neue Beweise für ihre Grausamkeit und ihre Absicht, die Bahá’í nur wegen ihres Glaubens zu verfolgen, selbst im fortgeschrittenen Alter“, sagt Jascha Noltenius, Beauftragter für Menschenrechtsfragen der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland. „Die Durchsuchung der Häuser älterer und gebrechlicher Frauen, die ihre Ehemänner vor mehr als 40 Jahren durch dieselbe Regierung verloren haben, zeigt uns auch, dass alle Versuche der iranischen Behörden, ihr Handeln zu rechtfertigen, nichtig und falsch sind. Welche Bedrohung stellen kranke und alte Bahá’í für die iranische Regierung dar? Solche gnadenlosen Taten lassen sich nur mit religiösen Vorurteilen erklären.“

Die jüngste Verhaftungswelle in Hamadan, Karaj, Isfahan und Yazd sowie die fortgesetzte Verweigerung von Hochschulbildung, die Inhaftierung eines 90-jährigen Bahá’í-Mannes, der bereits 10 Jahre im Gefängnis verbracht hat, und die Verfolgung von 180 weiteren Personen fallen in den Kontext der weltweiten Kampagne #OurStoryIsOne, die im Juli 2023 zum Gedenken an die Hinrichtung von 10 Bahá’í-Frauen im Jahr 1983 und zur Unterstützung der allgemeinen iranischen Bemühungen um Gerechtigkeit und Gleichberechtigung gestartet wurde. Die Kampagne hat in der iranischen Gesellschaft innerhalb und außerhalb des Landes eine noch nie dagewesene Solidarität hervorgerufen.

„Wir beobachten einen bedeutenden und historischen Prozess im Iran“, sagt Herr Noltenius. „Obwohl die iranische Regierung jahrzehntelang versucht hat, einen Keil zwischen die Bahá’í und die sonstige iranische Gesellschaft zu treiben, verbinden sich in der Kampagne #OurStoryIsOne Iranerinnen und Iraner aus allen religiösen und ethnischen Gemeinschaften mit einer Stimme, um sich für eine Gesellschaft einzusetzen, die auf Gleichberechtigung, Völkerverständigung, Gerechtigkeit und Emanzipation aller Menschen ungeachtet ihres Glaubens, ihrer Herkunft und ihres Geschlechts beruht. Es ist beklagenswert, dass die iranische Regierung nicht versucht, diese transformative Kraft zu nutzen und freizusetzen, sondern sie durch die Verhaftung von immer mehr Bahá’í und durch Angriffe auf unschuldige Iranerinnen und Iraner jeglicher Herkunft sowie auf MenschenrechtsverteidigerInnen im ganzen Land zu unterdrücken.“

Die 44-jährige Verfolgung durch die iranische Regierung wird in einer neuen Veröffentlichung der Baha’i International Community mit dem Titel „The Baha’i Question: Persecution and Resilience in Iran“ dargestellt, die diesen Monat veröffentlicht wurde. Am 26. Oktober erklärte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, Javaid Rehman, in einer Präsentation mit den UN-Mitgliedstaaten, dass „es eine deutliche Zunahme von Angriffen und Schikanen gegen die Bahá’i [Gemeinde] gibt, mit über 333 gemeldeten Vorfällen seit Juli 2022, darunter Fälle von willkürlichen Festnahmen, Verhören, rechtswidrigen Verhaftungen, Folter, Misshandlungen, Zerstörung von Eigentum, Friedhofsschändung, Verweigerung des Rechts auf Bildung und andere Formen des wirtschaftlichen Drucks.“

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