Verfolgung der Bahá’í-Frauen im Iran verschärft sich dramatisch

Berlin – 27. Oktober 2023 – Die Verfolgung der Bahá’í im Iran ist in den letzten Tagen eskaliert, insbesondere was die Unterdrückung von Frauen betrifft. Zehn Bahá’í-Frauen, die meisten von ihnen jung, wurden im Rahmen dieser Vorfälle verhaftet, während 26 weitere Bahà‘í, darunter 16 Frauen, zu insgesamt 126 Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

Zusätzlich zu den zehn Frauen, die Anfang der Woche in Isfahan verhaftet wurden, nahmen die Behörden drei weitere Bahá’í in Yazd fest.

Die Verhaftungen erfolgten, nachdem Wohnungen durchsucht und das persönliche Eigentum mehrerer Personen beschlagnahmt worden war, darunter elektronische Geräte, Bücher, Bargeld und Gold. Es wurde berichtet, dass mehr als zehn Beamte die Wohnung einer der Frauen während ihrer Festnahme durchsucht haben. Die Razzien richteten sich auch gegen das Haus einer älteren Bahá’í-Frau, deren Ehemann in den 1980er Jahren wegen seines Bahá’í-Glaubens hingerichtet worden war. 

Dass auf die Hinrichtung ihres Mannes eine jahrzehntelange Unterdrückung der Rechte ihrer Familienmitglieder folgte, einschließlich ihrer Kinder und Enkelkinder, die beispielsweise keine Universität besuchen dürfen, offenbart die systematische generationsübergreifende Verfolgung, der jeder Bahá’í im Iran ausgesetzt ist.

„Jeder dieser Bahá’í, die verhaftet und deren Häuser von den iranischen Behörden durchsucht wurden, ja jeder Bahá’í im Iran, hat eine lebenslange Geschichte der Verfolgung, die jede Facette seines Lebens beeinflusst hat. Diese Geschichten sind ein erschreckendes Zeugnis jahrzehntelanger gnadenloser Verfolgung einer ganzen Gemeinschaft, nur wegen ihres Glaubens“, sagt Jascha Noltenius, Menschenrechtsbeauftragter der Bahá’í-Gemeinde in Deutschland. „Wir beobachten, dass Frauen im Iran massiv unterdrückt werden. Bahá’í-Frauen sind einer intersektionalen Verfolgung ausgesetzt, nicht nur wegen ihrer Religionszugehörigkeit, sondern auch wegen ihres Geschlechts. Mittlerweile erleben wir, dass alle Menschen im Iran diskriminiert werden, sobald sie es wagen, sich für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung einzusetzen.“

„Die internationale Gemeinschaft muss die iranische Regierung für ihre Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen“, sagt Noltenius. „Die 10 Frauen, die diese Woche verhaftet wurden, haben keine Verbrechen begangen. Auch die Dutzenden, die zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt wurden, sind unschuldig. Alles, was sie wollen, ist, konstruktiv zum gesellschaftlichen Fortschritt beizutragen. Doch anstatt ihre Beiträge wertzuschätzen, werden sie hinter Gitter gesteckt, wodurch die iranische Regierung der Gesellschaft die Beiträge tausender fähiger Personen vorenthält.“

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde hat kürzlich die Kampagne #OurStoryIsOne gestartet, die zehn iranischen Bahá’í-Frauen gewidmet ist, die vor 40 Jahren wegen ihres Glaubens hingerichtet wurden. Die Kampagne will zeigen, dass die Verfolgung der Bahá’í im Iran ein wesentliches Kapitel in der Geschichte des Kampfes für Gleichberechtigung der Geschlechter ist. Die Kampagne verdeutlicht, dass Opferbereitschaft und Resilienz zwei bedeutende Fähigkeiten derjenigen Protagonisten sind, die danach streben, einen neuen Iran aufzubauen, in dem alle Menschen unabhängig von ihrem Glauben, ihrer Herkunft und ihrem Geschlecht leben.

„Durch die eskalierende Verfolgung der Bahá’í-Frauen im Iran demonstriert die iranische Regierung einmal mehr, dass alle Menschen im Iran mit demselben Kampf für Gleichberechtigung und Freiheit konfrontiert sind, wie es die Kampagne #OurStoryIsOne so nachdrücklich gezeigt hat. Die Kampagne ist die Antwort der Bahá’í-Gemeinde auf jahrzehntelange Spaltungsbemühungen und Hassreden gegen Andersdenkende durch die iranische Regierung. Dies zeigt, dass die Bemühungen der Islamischen Republik, einen Keil zwischen die Bahá’í und andere zu treiben, letztendlich fruchtlos waren“, so Jascha Noltenius. „Wenn die Islamische Republik eines aus ihren 44 Jahren der Grausamkeit lernen kann, dann ist es, dass ihre fortgesetzte Verfolgung der Bahá’í kontraproduktiv war, da sie das Bewusstsein für die Lage der Bahá’í geschärft, eine stärkere Solidarität zwischen der Bahá’í-Gemeinde und der breiteren Bevölkerung im Iran geschaffen und der internationalen Gemeinschaft die Unschuld der Bahá’í angesichts der unerbittlichen Unterdrückung bewiesen hat.“

Die jüngsten Verhaftungen und Haftstrafen folgen auf mehr als ein Jahr intensivierter Angriffe auf die iranische Bahá’í-Gemeinde. Dutzende weitere Bahá’í wurden in den letzten Monaten entweder verhaftet, vor Gericht gestellt, zu Gefängnisstrafen vorgeladen, von höherer Bildung ausgeschlossen oder von der Sicherung ihres Lebensunterhaltsausgeschlossen. Im August berichtete die Internationale Bahá’í-Gemeinde, dass 180 Bahá’í ins Visier genommen worden seien – darunter ein 90-jähriger Mann, Jamaloddin Khanjani, der zwei Wochen lang festgehalten und verhört wurde.

Zwei weitere Bahá’í-Frauen, Mahvash Sabet und Fariba Kamalabadi, die zusammen mit Herrn Khanjani und vier weiteren Bahá’í von 2008 bis 2018 ein Jahrzehnt im Gefängnis verbrachten, wurden im Juli 2022 erneut verhaftet und verbüßen nun jeweils eine zweite zehnjährige Haftstrafe.

Weitere Informationen zu den jüngsten Verfolgungsfällen gegenüber Bahá’í im Iran 

  • Bei den 10 Frauen, die von Agenten des Geheimdienstministeriums in Isfahan verhaftet wurden, handelt es sich um Neda Badakhsh, Arezou Sobhanian, Yeganeh Rouhbakhsh, Mojgan Shahrezaie, Parastou Hakim, Yeganeh Agahi, Bahareh Lotfi, Shana Shoghifar, Negin Khademi und Neda Emadi.
  • Frau Shokoufeh Basiri, Herr Ahmad Naimi und Herr Iman Rashidi wurden ebenfalls verhaftet und befinden sich weiterhin in der Haftanstalt des Geheimdienstes in Yazd.
  • Nasim Sabeti, Azita Foroughi, Roya Ghane Ezzabadi und Soheila Ahmadi, Einwohner von Maschhad, wurden vom Revolutionsgericht dieser Stadt zu jeweils drei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt.
  • Frau Noushin Mesbah, eine Einwohnerin von Maschhad, wurde zu drei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt.
  • Die Verurteilung von Frau Sousan Badavam zu vier Jahren und einem Monat und siebzehn Tagen Gefängnis und sozialer Entbehrung wurde vom Berufungsgericht der Provinz Gilan bestätigt.
  • Hasan Salehi, Vahid Dana und Saied Abedi wurden von der ersten Kammer des Revolutionsgerichts von Shiraz zu jeweils sechs Jahren, einem Monat und siebzehn Tagen Gefängnis unter elektronischen Fußfesseln, Geldstrafen und sozialen Ausschlüssen verurteilt.
  • Herr Arsalan Yazdani, Frau Saiedeh Khozouei, Herr Iraj Shakour und Herr Pedram Abhar wurden zu jeweils 6 Jahren Haft verurteilt, Frau Samira Ebrahimi und Frau Saba Sefidi wurden jeweils zu 4 Jahren und 5 Monaten Gefängnis verurteilt.
  • Das Urteil gegen Herrn Houshider Zareie wurde nach seinem Erscheinen vor der ersten Instanz des Revolutionsgerichts von Schiras vollstreckt. Er wurde zu einer Geldstrafe und fünf Jahren Bewegungseinschränkung unter elektronischer Überwachung verurteilt.
  • Frau Shadi Shahidzadeh, Herr Mansour Amini, Herr Ataollah Zafar und Herr Valiollah Ghedamian wurden von der 36. Kammer des Berufungsgerichts der Provinz Teheran zu insgesamt zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.
  • Frau Shahdokht Khanjani, wohnhaft in Semnan, wurde von der ersten Kammer des Revolutionsgerichts dieser Stadt zu 16 Jahren Gefängnis, einer Geldstrafe von 50 Millionen Toman und einer weiteren Strafe verurteilt.
  • Die Verurteilung von Frau Sanaz Tafazzoli zu zehn Jahren und neun Monaten Haft, die im Gefängnis Vakil Abad in Maschhad inhaftiert war, wurde vom Berufungsgericht bestätigt.
  • Frau Roya Malakouti, die im Gefängnis Vakil Abad in Maschhad inhaftiert ist, wurde zu sechs Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt.
  • Die Anhörung der Anklage gegen Frau Golnoush Nasiri und Frau Farideh Moradi aus Maschhad, fand in Abteilung 1 des Revolutionsgerichts von Maschhad statt und sie wurden jeweils zu drei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt.
  • Die Anhörung der Anklage gegen Frau Parisa Eslami, wohnhaft in Karadsch, fand vor dem Revolutionsgericht von Karaj statt und sie wartet auf ihr Urteil.
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