Berlin, 17. November 2023 – Zum 36. Mal wurde gestern eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) durch den Ausschuss für soziale, humanitäre und kulturelle Fragen (sog. Dritter Ausschuss) verabschiedet, in der ernste Besorgnis über die Situation der Bahá‘í im Iran und anderer religiöser Minderheiten zum Ausdruck gebracht wurde. Die iranische Regierung wird darin aufgefordert, alle Formen religiöser Diskriminierung und Verfolgung zu „beseitigen“.
Die von Kanada und 50 Mitunterzeichnern aus allen Regionen eingebrachte Resolution wurde mit 80 Ja-Stimmen, 29 Nein-Stimmen und 65 Enthaltungen angenommen und soll im kommenden Monat in der Vollversammlung der Vereinten Nationen bestätigt werden.
Viele UN-Mitgliedstaaten forderten, dass die Rechte religiöser Minderheiten von der iranischen Regierung respektiert werden müssen. So erklärte Brasilien, es sei „nach wie vor beunruhigt über Berichte über Verstöße gegen Frauen, Menschenrechtsverteidiger sowie religiöse und ethnische Minderheiten. Wir nutzen diese Gelegenheit, um unsere Unterstützung für das Recht der Bahá‘í zu bekräftigen, ihren Glauben im Iran frei und friedlich auszuüben“.
In der Resolution wird „ernste Besorgnis“ über eine ganze Reihe von Menschenrechtsverletzungen im Iran geäußert – einschließlich der Verweigerung der Religions- und Glaubensfreiheit. Insbesondere die Bahá‘í seien „unangemessenen Beschränkungen für Beerdigungen, die in Übereinstimmung mit den religiösen Lehren durchgeführt werden, Angriffen auf Begräbnisstätten und anderen Menschenrechtsverletzungen“ ausgesetzt, zu denen „zunehmende Belästigung, Einschüchterung, Verfolgung, willkürliche Verhaftung und Inhaftierung“ sowie Aufstachelung zum Hass durch offizielle und inoffizielle Medien gehören, die „zu Gewalt führen können“.
Die iranische Regierung wird außerdem aufgefordert, „die anhaltende Straflosigkeit für diejenigen zu beenden, die Verbrechen gegen Angehörige anerkannter und nicht anerkannter religiöser Minderheiten begehen“, und sich mit den verfassungsrechtlichen Regelungen, Gesetzen und Praktiken zu befassen, die die Verweigerung von Bildung und Beschäftigung für Bahá’í, die Schließung unabhängiger Unternehmen und Geschäfte, die Beschlagnahmung von Eigentum und andere Rechtsverletzungen festigen.
„Während sich der Dritte Ausschuss der UN-Generalversammlung mit der Menschenrechtslage im Iran befasste, hat die Islamische Republik weiterhin schwere Verstöße gegen die Bahá’í-Gemeinde begangen“, sagt Bani Dugal, Vertreterin der internationalen Bahá‘í-Gemeinde bei den Vereinten Nationen. „Die iranischen Bahá’í sind die Zielscheibe einer eskalierenden und sich verschärfenden Verfolgungswelle.
In der vergangenen Woche wurden mehr als 30 Häuser von Bahá‘í in einer Reihe von gewaltsamen Razzien gestürmt, von denen einige auf ältere und kranke Frauen abzielten. Zahlreiche Personen wurden im Rahmen dieser Razzien verhaftet. Im Oktober wurden 26 Bahá‘í zu insgesamt 126 Jahren Gefängnis verurteilt, 10 Bahá’í-Frauen wurden in Isfahan und drei weitere in Yazd inhaftiert“.
„Wann wird das aufhören? Die Iranerinnen und Iraner haben 44 Jahre lang unter den Misshandlungen ihrer Regierung gelitten. Die internationale Gemeinschaft muss darauf bestehen – und neue Wege finden, dem Nachdruck zu verleihen -, dass der Iran seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einhält und diese feindselige Kampagne, die zur Erstickung einer friedlichen und unschuldigen Religionsgemeinschaft führen soll, beendet“, fügt Frau Dugal hinzu.
Die internationale Aufmerksamkeit für die 44 Jahre andauernde systematische Verfolgung der Bahai durch die iranische Regierung hat bei UN-Beamten, nationalen Regierungen und Medien zugenommen, und seitens der UN und nationalen Regierungen gab mehrere Interventionen.
In einem Bericht des UN-Generalsekretärs António Guterres heißt es, dass „Angehörige der Bahá‘í-Minderheit wegen der Ausübung ihres Glaubens Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt waren“, und er forderte die iranische Regierung auf, „die Rechte aller Personen zu schützen, die ethnischen und religiösen Minderheiten angehören, und unverzüglich gegen alle Formen der Diskriminierung dieser Personen vorzugehen“.
Am 26. Oktober sagte der UN-Sonderberichterstatter Javaid Rehman in einer Präsentation für die UN-Mitgliedsstaaten, dass „es eine deutliche Zunahme von Angriffen und Schikanen gegen die Bahá‘í [Gemeinschaft] gegeben hat … einschließlich Fällen von willkürlichen Verhaftungen, Verhören, rechtswidrigen Verhaftungen, Folter, Misshandlungen, Zerstörung von Eigentum, Friedhofsschändung, Verweigerung von Bildungsrechten und anderen Formen von wirtschaftlichem Druck.“
Der UN-Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen, Fernand de Varennes, stellte fest, dass die Bahá‘í im Iran vermehrt Hassreden in den sozialen Medien ausgesetzt sind.
Letzten Monat veröffentlichte die Internationale Bahá’í Gemeinde eine aktualisierte Ausgabe von „The Baha’i Question: Persecution and Resilience in Iran„, ein Dokument für politische Entscheidungsträger, die die iranische Regierung zur Einhaltung ihrer internationalen Menschenrechtsverpflichtungen drängen wollen. Die neue Publikation gibt einen detaillierten Überblick über die Behandlung der Bahá’í im Iran, zeigt Dutzende offizieller politischer Dokumente, die den Rahmen für die Kampagne zur „Blockierung ihres Fortschritts und ihrer Entwicklung“ bilden, und hebt die anhaltende Verweigerung von Hochschulbildung hervor.
Die Missachtung der Menschenrechte durch den Iran wurde während des Besuchs des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi bei der UN-Generalversammlung im vergangenen Monat deutlich. Herr Raisi und andere hochrangige Regierungsvertreter haben die Verletzung der Rechte der Bahá‘í und anderer Menschen im Iran stets geleugnet – auch wenn es immer mehr Beweise gibt, die ihre Behauptungen widerlegen.
Die Bahá‘í sind die größte nicht-muslimische religiöse Minderheit im Iran. Die jüngsten Verhaftungen und Gefängnisstrafen sowie die Inhaftierung eines 90-jährigen Bahá‘í-Mannes, der bereits zehn Jahre im Gefängnis verbracht hatte, und die Verfolgung von 180 weiteren Personen erfolgten im Rahmen der weltweiten Kampagne #OurStoryIsOne.Diese wurde im Juli 2023 zum Gedenken an die Hinrichtung von zehn Bahá‘í-Frauen im Jahr 1983 und zur Unterstützung der allgemeinen iranischen Bemühungen um Gerechtigkeit und Gleichberechtigung ins Leben gerufen. Die Kampagne hat innerhalb und außerhalb des Irans ein noch nie dagewesenes Maß an Solidarität hervorgerufen.